Festtagsstimmung in Osaka
Also, wir erinnern uns: Ich habe den Kumano Kodo erfolgreich hinter mich gebracht, eine weitere Nacht im Ryokan Hase verbracht und bin am nächsten Tag mit Muskelkater aus der Hölle nach Osaka gefahren. Die Strecke mit dem Zug von Shingu nach Osaka kannte ich ja schon vom Hinweg. Diesmal war es allerdings hell und somit noch viel schöner. Ich konnte fast die ganze Zeit über bei strahlend blauem Himmel auf den Pazifik oder malerische Dörfer schauen. Wirklich toll. Ein kleiner, verwackelter Eindruck von der Fahrt:

Saß ich anfangs noch fast alleine im Wagen, füllte sich dieser nach und nach. Und beim Umsteigen wurde nicht nur der Zug wieder größer, es stiegen auch immer mehr Leute ein. Ich hatte ganz vergessen, wie voll das in Japan ist. Zum Glück erinnerte ich mich rechtzeitig, sodass der Kulturschock nicht ganz so hart war, als ich dann im Dunkeln in Namba aus der U-Bahn kletterte. Hier ging es rund wie in Tokio. Und es war zwar Sonntag abend, allerdings war heute Kulturtag. Das ist einer der wenigen Feiertage in Japan. Und weil die Japaner keine Idioten sind, werden Feiertage, die auf ein Wochenende feiern, am Montag nachgeholt. Entsprechend war heute nochmal richtig Party angesagt hier.
Direkt am Dotonbori
Mein Hotel habe ich natürlich wieder strategisch klug ausgewählt. Es war nur wenige Meter vom Dotonbori entfernt. Das ist ein schnurgerader Kanal, der gleichzeitig Osakas Hauptvergnügungsviertel ist. Das weiß ich ebenfalls aus den Yakuza-Spielen. Mensch, was hab ich an dem Fluss schon Kloppe für geschmacklos gekleidete Ganoven verteilt. Und die Leute sehen hier tatsächlich auch ein bisschen so aus wie in den Spielen. In Tokio ist man selbst in den Vergnügungsvierteln noch dezent, schick gekleidet. Hier fallen die Leute lieber ein bisschen auf. Es darf auch mal Gold sein, statt elegantem Business-Anzug geht auch mal ein bunter Trainingsanzug und Sneakers. Die Leute sind für japanische Verhältnisse deutlich weniger zurückhaltend. Man streitet sich auch mal öffentlich und der Ton ist etwas rauer. Außerdem ist Osaka für sein exzellentes Street Food bekannt. Und so viel kann ich schon verraten: Das ist es zurecht.
Die knallbunten und überlaufenen Bereiche von Dotonbori sind relativ kompakt. Da geht es dafür dann aber auch richtig ab. Hier als Beispiel ein paar Sekunden Eindruck von der Ebisu Bashi Suji, einer von Osakas bestbesuchtesten Einkaufspassagen:

Für einen, der vor etwas mehr als 24 Stunden noch vollkommen alleine und schwitzend auf antiken Steinstufen im Wald gesessen hat, war das schon ein Kontrast. Geht man aber ein paar Meter am Fluss entlang abseits des Trubels, wird es schnell sehr übersichtlich. Und skurill! Man schaue sich nur das hier mal an:

Ich vermute, das ist eine Art unbekannte Idol-Gruppe mit ihren Hardcore-Fans. Na, hauptsache Spaß! Direkt um die Ecke an einer stark befahrenen Kreuzung steht ebenfalls Musik im Vordergrund. Eine nette, kleine Jazz-Kapelle macht ordentlich Stimmung:

Und geht man um die nächste Ecke, ist man wieder im Partybereich. Hier findet man auch die recht bekannte, ziemlich coole Leuchtreklame für da Viertel:

Da kommt doch echte Cyberpunk-Stimmung auf. Und weiter geht's, um die nächste Ecke landet man auf einer der Hauptverkehrsadern Osakas, dem Midosuji-Boulevard. Und hier laufen die Vorbereitungen zur Eröffnung des Festivals of the Lights, das morgen eröffnet werden soll. Gutes Timing mal wieder von mir. Mal schauen, was da so geht.
Das Festival of the Lights
Am nächsten Tag war der Muskelkater vom Kumano Kodo immer noch immens. Aber den kann man bestimmt einfach rauslaufen (kann man nicht!). Also auf in den Kampf! Durch Dotonbori hindurch war mein Ziel die Eröffnung des Festivals of the Lights, herausfinden, wann es da coole Sachen gibt und dann vermutlich weiter zum Schloss von Osaka. Da heute zwar Montag, aber der nachgeholte Feiertag Tag der Kultur war, war es natürlich bumsvoll in Osaka. Die Schlangen vor den Fressbuden waren teils locker 50 Meter lang. Da hatte ich natürlich mal wieder weder Zeit noch Lust zu. Also gab es mal wieder lecker Eiersandwich und Onigiri aus dem Conbini und im Sauseschritt zum Midosuji.
Durch eine Recherche im Internet habe ich schon herausgefunden, dass im Rahmen des Festival of Lights der Midosuji bis Weihnachten von Anfang bis Ende mit bunten Lichtern festlicht beleuchtet wird. Heute sollte die Beleuchtung nach Einbruch der Dunkelheit feierlich eingeschaltet werden. Es sollte aber auch davor Programm geben. Und das war echt gut. So gut, dass ich meinen Schlossbesuch spontan auf den nächsten Tag verschoben habe. Etwa die Hälfte des wirklich sehr langen Midosuji war abgesperrt. Sowas macht man in Japan gerne richtig, also überall entsprechende Gitter, aber auch Polizisten und Security-Leute mit Megaphonen und natürlich auch ihren lustigen Leuchtstäben. So wurde die Menge entspannt darauf hingewiesen, wo sie gehen und wo sie nicht herumstehen soll. Die Fahrbahn war abgesperrt und nur an wenigen Stellen unter strenger Aufsicht passierbar. Der mittlere Bereich der Fahrbahn war für Zuschauer vollständig tabu, rechts und links davon gab es aber durch Absperrgitter abgetrennte Bereiche, in denen viele Leute auf dem Boden hockten. Das kannte ich noch letztes Jahr aus Disneyland, dass man sowas hier gerne macht. Und meistens wird es dann auch super. Die sind ja nicht doof.
Für mich hieß es aber natürlich erstmal noch: Weiter auskundschaften! Ein Programmheft für den Tag habe ich relativ schnell von einer netten Dame ausgehändigt bekommen. Es wird ein Chor auftreten, dann ein paar Bands und eine Pikachu-Parade, bevor dann abends die Beleuchtung eingeschaltet wird. Wenn man die Wahl zwischen einer Pikachu-Parade und dem Schloss von Osaka hat... Nunja. Insbesondere wo das Schloss ja vermutlich auch morgen noch stehen wird und für morgen genauso exzellentes Wetter wie heute angekündigt war. Es gab extrem angenehem 22 Grad, leichten Wind und strahlend blauen Himmel. Im Namba-Schrein und dem quasi daneben liegenden Namba-Tempel wurde auch ordentlich gefeiert, mit Futterbuden, Schweinchenmaskottchen und Konzerten. Hier war also richtig was los.
Es geht los!
Und dann war es auch schon soweit. Ganz am anderen Ende des Boulevards war eine Bühne aufgebaut. Auf dieser eröffnete nach albernem Lokalradio klingendes Moderatorenduo mit ein paar warmen Worten die Veranstaltung. Vermute ich zumindest, mehr als ein paar Bruchstücke habe ich natürlich nicht verstanden. Als ersten Programmpunkt sollte es einen Chor geben. Hmnaja, gut. Da die für das Festival abgesteckte Fläche auf der Straße bestimmt, hm, ein, zwei Kilometer lang war, gab es alle hundert Meter Boxen, die das Geschehen von der Bühne übetrugen. So ganz klar war mir noch nicht, warum sich all die Leute auf die Straße gesetzt haben. Sollte es aber noch werden. Der Chor legte direkt mal mit "Freude, schöner Götterfunken" los. Mir war natürlich bekannt, dass die Japaner auf Klassik stehen. Dennoch gab das ein wenig Gänsehaut. Da steht man tausende Kilometer von zuhause auf einer Straße in einer Millionenmetropole unter tausenden kleinen Japanern. Und wir alle lauschen einem Chor, der in ziemlich verständlichem Deutsch ein bisschen Beethoven für uns singt.
Als nächstes trat eine Band auf und auch mir wurde klar, warum all die Leute auf der Straße saßen: Zusätzlich zur fest installierten Bühne am Ende der Straße gab es noch eine mobile Bühne. Diese wurde während des Konzertes der Band die Straße entlang geschoben, gerne begleitet von ein paar Tänzern und Tänzerinnen. Das gab natürlich tolle Stimmung.
Direkt danach war dann nach der Größe im Programmheft zu schließen der Hauptact dran. Das Tokyo Ska Paradise Orchestra gab sich die Ehre, eine mir natürlich bisher völlig unbekannte Ska-Jazz-Kapelle, die wirklich ordentlich reingehauen hat. Ich würde da jederzeit Eintritt für bezahlen. Aber schaut einfach selbst:

(Für das Video habe ich übrigens - genau wie für das Gundam-Video - eine automatisierte Beschwerde wegen Urheberrechtsverletzung bei Youtube bekommen, die aber aufgrund der Nichtmonetarisierung des Videos ohne Folgen ist. Schöne, neue Cyberwelt!)
Pika! Pika! Pikabi!
Und dann war es Zeit für Pikachu. Es gibt in Tokio eine eigene Pikachu-Parade, die wir letztes Jahr leider haarscharf verpasst haben. Also wird die jetzt nachgeholt. Und es war natürlich großartig bescheuert. Ein ganzer Haufen menschengroßer Pikachus tanzten zu äußerst grenzwertiger Musik auf der Straße. Wer das nicht mag, der kann kein guter Mensch sein. Aber auch hier könnt Ihr Euch natürlich selbst einen Eindruck machen:

Na? Wer ist jetzt noch ein guter Mensch? Vermutlich diejenigen, die die unfassbar süßen Pikachus im blauen Anzug am Ende noch gesehen haben. Und weiß süß und Japan ja gut zusammenpasst, lernen wir noch schnell ein Wort Japanisch: 可愛い (かわいい - kawaii) Das heißt natürlich süß, niedlich. Und je süßer und niedlicher etwas ist, umso länger darf man die Iiiiis am Ende ziehen.
Nach den Pikachus gab es noch ein paar weniger niedliche Paraden. Mir wie immer völlig unbekannte Leute im Anzug winkten der Menge zu. Fröhliche Mädchen formten aus Luftballons Wörter wie O-S-A-K-A und H-A-P-P-Y, es gab ein bisschen Straßenballett. So richtig super war das aber nicht mehr. Da sich langsam bereits die Dämmerung andeutete, war es für mich an der Zeit, zurück zu schlendern, etwas essen und dann mein Reisestativ aus dem Hotel holen. Bunt beleuchtete Bäume auf gesperrter Straße, da geht doch vielleicht selbst für einen Fotografieanfänger wie mich was.
Also unterwegs schnell was futtern, Kamerakrams aus dem Hotel geholt und die anderthalb Kilometer zurück zum Boulevard. Weil ich aber ja bisweilen ein echtes Genie bin, habe ich die Wechselplatte zum Montieren der Kamera auf das Stativ im Hotel vergessen. Also schnell nochmal zurück in's Hotel und wieder auf zum Boulevard. Geniale Idee! Tatsächlich habe ich es dann aber noch pünktlich zur Eröffnung zurück geschafft. Die Organisatoren waren bereits fleissig und haben die ganzen Absperrgitter abgebaut und die Straße gehörte jetzt vollständig den Fußgängern. Das ist ja grundsätzlich schon immer eine tolle Sache. Hier lag aber auch noch die Vorfreude in der Luft, dass es gleich schön bunt werden sollte. Natürlich habe ich für Euch den Countdown aufgenommen:

Und so schön sah es dann wenig später auf dem Boulevard aus:

Beleuchtete Bäume in einer beleuchteten Straße zu fotografieren, ist dann gar nicht mal so einfach. Die Beleuchtung pulsierte auch noch, was zwar schön aussah, das Fotografieren aber zusätzlich erschwerte. Aus der Hand geschossenen Bildern mit kurzer Belichtungszeit sieht die Beleuchtung viel unspektakulärer als in der Realität aus. Also mal mit dem Stativ herumspielen. Aber auch das ist gar nicht so leicht. Da sind ja so viele Knöpfe und Optionen an der Kamera. Und wenn man mehrere Sekunden belichtet, rennen einem natürlich diverse Leute durch das Bild, die dann meist ziemlich hässliche Geisterschatten ziehen. Und zu lang beleuchtete Bilder sehen dann zwar hinterher abgefahren schick aus, geben die Realität aber auch nicht so recht wieder. Schwierig, schwierig. Für ein paar gute Bilder hat es aber tatsächlich gereicht.
Nach einem halben Stündchen Herumgeknipse wurde mir dann aber langweilig. Auf dem Weg zum Hotel war am Dotonbori an der ansonsten mit Riesenschlange belagerten Takoyaki-Bude quasi nichts mehr los. Also gab es noch einen kleinen Nachtimbiss. Takoyaki sind Teigbällchen in der Größe von etwas mehr als einem Tischtennisball. Sie sind gefüllt mit einem Oktopusarm, der Teig außen ist leicht kross, weiter nach innen cremig. Garniert wird das Ganze mit Okonomiyaki-Soße, Mayo, Seetang und Bonitoflocken. Wunderbar lecker! Und dann war's auch schon Zeit, in's Bett zu gehen. Morgen geht es dann zum Schloss von Osaka. Und weil ich schon weiß, was da los war: Es wird super! Anbei der übliche Bilderstapel. Viel Freude damit.
Bildergalerie
Kommentare
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Am 24. November, 03:08 Uhr (Japan), 23. November, 19:08 Uhr (Deutschland)Das Warten auf deinen nächsten Artikel hat sich gelohnt. Der liest sich so gut... fast als wäre man dabei gewesen. Der Drummer mit dem grünen Schlagzeug hat echt was drauf.Am 27. November, 02:12 Uhr (Japan), 26. November, 18:12 Uhr (Deutschland)Keine Sorge, innerhalb der nächsten Tage gibt es vielleicht schon den nächsten Artikel.
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Am 28. November, 02:46 Uhr (Japan), 27. November, 18:46 Uhr (Deutschland)Da bin ich aber froh, dass es in diesem Jahr wahrscheinlich (hoffentlich 🤔) noch einige Berichte von dir geben wird. Die Fotos mit den beleuchteten Bäumen haben mir besonders gut gefallen.Am 30. November, 23:41 Uhr (Japan), 30. November, 15:41 Uhr (Deutschland)Ich geb mir Mühe. Der nächste Bericht ist bereits halb fertig. Bei der Geschwindigkeit bin ich dann vermutlich im Sommer fertig.