Von Tokio nach Sendai
Tschüss Tokio, bis demnächst!
Da heute mein letzter Tag in Tokio war, beschloss ich, vielleicht doch mal das (mitgebuchte) Frühstück im Hotel auszuprobieren. Wie in den meisten Business Hotels gab es das gegen Gutschein in einem Café nebenan. Es hieß Café Jr. Italian Tomato, scheint eine Kette zu sein und das Frühstück war so, wie der Name des Cafés: Gar nicht mal so gut. Allerdings kam mir eine der Bedienungen ziemlich bekannt vor. Und zwar aus zwei Gründen: Er sah eins zu eins wie Detektiv Conan aus. Ich glaube sogar, er war es wirklich. Und zweitens war das doch der junge Mann von der Rezeption. Der muss also zusätzlich auch noch hier in diesem seltsamen Laden buckeln.
Für mich stand jetzt das auf dem Plan, was mein Koffer bereits seit gestern tut: Nach Sendai reisen. Denn ich habe gestern tatsächlich Ta-Q-Bin-Service in Anspruch genommen. Detektiv Conan hat meinen Koffer in Empfang genommen, für mich das Formular ausgefüllt und in Sendai angerufen, damit mein Koffer nicht im Nirgendwo landet. Sendai ist allerdings so weit weg, dass der Koffer nicht innerhalb von 24 Stunden geliefert werden kann. Also habe ich noch ein Set Unterwäsche mehr in mein Handgepäck gestopft. Und konnte dann heute total gemütlich mit leichtem Gepäck zum Bahnhof. Dort musste ich meinen ersten 7-Tage-Gutschein für einen Japan Rail Pass eintauschen. Wer's von letztem Jahr vergessen hat: Für etwa 250 Euro kann man damit nach Belieben JR-Züge benutzen. Da Zugfahren hier relativ teuer ist (etwa auf deutschem Niveau), lohnt sich das schon recht schnell. Da ich in den nächsten Tagen nicht nur nach Sendai möchte, sondern von dort mindestens zwei Tagesausflüge plane und danach weiter nach Sapporo auf Hokkaido möchte, fahre ich den Preis vermutlich doppelt und dreifach wieder rein.
Ab jetzt brauche ich für Fahrten nur noch eine - mit dem JR Pass ebenfalls kostenlose - Sitzplatzreservierung, um mit dem Shinkansen fahren zu können. Das ginge zwar meist auch ohne Reservierung, allerdings gibt es einige Züge, die keine Plätze ohne Reservierung haben und viele Züge sind ziemlich voll. Außerdem kann ich hier mal ein wenig mit meinen Japanisch-Kenntnissen protzen: Städtenamen, Uhrzeiten und "Ich möchte nach..." kann ich! Von da an muss ich am Eingang zu den Shinkansen-Gleisen nur noch kurz meinen Pass vorzeigen und es kann losgehen. Obwohl es natürlich insbesondere in Tokio ziemlich voll ist, ist alles bestens organisiert. Die Züge sind superpünktlich (wir reden hier über Sekunden und nicht Minuten bis Stunden wie in Deutschland) und total sauber.
Woran man sich als Nicht-Japaner auch erstmal gewöhnen muss: Zwischen den Gleisen der jeweiligen Haltestelle befinden sich in der Regel ein bis zwei Durchfahrgleise. Da fahren die Züge durch, die nicht an dieser Haltestelle halten. Das tun sie in Japan mit Höchstgeschwindigkeit. Es knallt dann einmal, wird superlaut, der Zug rauscht durch. Und ebenso plötzlich wie das Schauspiel begann, hört es auch wieder auf.
Auf dem Boden der Haltestelle ist eingezeichnet, welcher Wagen wo halten wird. Das tut er dann auch auf den Zentimeter genau. Und weil man in Japan gerne ordentlich in der Schlange steht, gibt es entsprechende Wartebereiche. Weil man sich aber auch gerne schon für den Folgezug in eine Schlange stellen möchte, gibt es neben der Schlange für den nächsten Zug eine Schlange für den Folgezug. Und sobald der nächste durch ist, rückt Schlange in den anderen Bereich. Umso ulkiger, wenn man bedenkt, dass ja eigentlich jeder Passagier einen reservierten Sitzplatz hat.
Dafür funktioniert das dann aber auch wirklich generalstabsmäßig: Erst lässt man die bereits ebenfalls in einer Schlange im Zug wartenden Fahrgäste aussteigen. Und dann geht die Warteschlange zackzack in den Zug. In unter zwei Minuten schließen die Türen und der Zug fährt ab.
Willkommen in Sendai!
Für die etwa 350 Kilometer nach Sendai benötigt der Shinkansen ziemlich genau anderthalb Stunden und kommt natürlich auf die Minute genau an. In Sendai ist es bewölkt und die Stadt sieht aus, als hätte sie jemand in den 80ern ziemlich lustlos aus Beton gegossen. Kein Wunder, dass sie in den Reiseführern nicht mal als Geheimtipp geführt wird. Dafür hört man dann aber auch nicht wie in Tokio an jeder Straßenecke irgendwen auf Deutsch reden. Entsprechend schlecht ist es hier allerdings um die Englischkenntnisse der Einwohner bestellt. Zum Glück kann ich ja ein kleines bisschen Japanisch und für den Notfall haben sich Hände, Füße und Draufzeigen bewährt. Etwa eine Million Japaner und jetzt ich, das kann ja was werden!
Ich möchte die Stadt jetzt wirklich nicht schlechtreden. Sollte ein Einwohner Sendais mal hierüber stolpern: Entschuldigung! Aber laut kurzer Internetrecherche gibt es hier eine eher mittelmäßige Burg, ein paar Museen, eine sehr große Buddha-Statue und eine Statue von einem Typen auf einem Pferd (Date Masamune, ehemaliger Daimyo von Sendai). Und eine kilometerlange, schnurgerade Einkaufspassage. Vermutlich ist das hier das Bielefeld Japans. Aber jetzt reicht's dann auch mit dem Sendai-Bashing. Machen wir lieber Hotel-Bashing: Meine Unterkunft ist ebenfalls direkt aus den 80ern ins Jetzt teleportiert worden. Ein unglaublich hässlicher, gefliester Betonklotz, bei dem man sich nicht vorstellen kann, dass der Architekt selbst damals gesagt haben mag: Ja, das habe ich super hinbekommen! Aber soll mir reichen. Ich bin ja sowohl in der Stadt als auch im Hotel eigentlich nur zum Übernachten.
Bunte Blätter!
Aber es gibt auch gute Neuigkeiten: Hier ist tatsächlich schon Herbst und sichtbares Herbstlaub. Der erste Herbstlaub-Bericht vor ein paar Wochen sagte ja noch, dass sich das dieses Jahr alles um ein paar Wochen verschieben könnte. Nach dieser Nachricht hatte ich das Herbstlaub eigentlich schon abgeha(r)kt und die Vorhersagen nicht weiter verfolgt. Aber hier geht es offensichtlich schon sehr herbstlich zu. Und ein kurzer Blick auf die aktuelle Herbstlaubvorhersage behauptet: Auf Hokkaido nähert es sich bereits dem Höhepunkt. Da bin ich ja in wenigen Tagen [Um ehrlich zu sein: Während ich das hier schreibe, sitze ich im Zug nach Sapporo. Der Höhepunkt ist nun wirklich schon vorbei. Aber es ist immer noch unfassbar schön!].
Meine neuen Reisebegleiter
Und jetzt kann ich es ja zugeben: In den letzten Tagen habe ich mich schon ziemlich einsam gefühlt. So fern der Heimat, jetzt sogar fast ohne andere Touristen. Das ist nicht einfach, wenn niemand da ist, der einem auch mal zuhört. Aber dafür gibt es in Japan eine einfache Lösung. Ich habe einfach ein paar Münzen in Capsule-Toy.Automaten gesteckt und jetzt besteht meine Reisegruppe aus drei, äh, Wesen. Das links ist ストーンマン beziehungsweise Stone Man, ein Monster aus Dragon Quest. Und rekelchts natürlich Pikachu. Der kann sogar im Dunkeln leuchten. Und Obacht! Spitzenmäßige Überleitung: Das kann ich ab morgen vielleicht auch, denn morgen soll es eine Führung in das Sperrgebiet von Fukushima geben.
Unten wie üblich noch ein paar Bilder. Heute nicht so viele, war ja eher ein Reisetag und Sendai ist... Sendai. Gut, einen habe ich noch zum Thema Sendai. In der Stadt macht das örtliche Baseballteam - die Rakuten Eagles - gerade Werbung für die neue Saison. Ihr Slogan für diese Saison lautet Restart!. Da lässt sich schon erahnen, wie gut es letzte Saison für sie lief. Immerhin sind sie in der Pacific League sechster geworden. Von sechs.
Bildergalerie
Kommentare
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Am 30. Oktober, 02:39 Uhr (Japan), 29. Oktober, 18:39 Uhr (Deutschland)Die Leute mit nem Mundschutz gibt es ja wirklich! Es heißt doch German Angst.Am 30. Oktober, 08:34 Uhr (Japan), 30. Oktober, 00:34 Uhr (Deutschland)Den trägt man hier, wenn man krank ist, um andere nicht anzustecken. Für die coolen Jungs gibt es die auch in schwarz.