Von großen Holzgebäuden und heiligen Rehen
Nara ist mit dem Regionalzug eine Stunde von Kyoto entfernt. Gemütlich wackelt und rumpelt der Zug durch das ländliche Japan und man kann endlich mal etwas mehr vom Land sehen. Im Shinkansen zischen die Dörfer ja nur so an einem vorbei. In Nara ist es dann noch ein kleiner Fußmarsch, ehe man Nara Park erreicht. Aber schon davor fällt einem auf, dass es diverse "Achtung! Wild!"-Schilder (natürlich in Japanisch, schon klar, schon klar...) gibt. Und schon vor dem Park laufen dann Rehe durch die Straßen. Die Rehe sind absolut entspannt und kein bisschen schreckhaft vor Menschen oder Autos. Rehe verhalten sich offenbar fundamental anders, wenn man sie über Jahrhunderte verehrt und füttert, als wenn man sie von Jägern totschießen lässt.
Die Autos fahren in Parknähe noch rücksichtsvoller, als sie das in Japan eh schon tun. Als wir eine rote Fußgängerampel erreichten, stand dort mit den wartenden Menschen auch ein Reh und wartete ebenfalls. Irgendwann wurde es dem Reh aber zu langweilig und es ist frech bei Rot über die Straße. Die Menschen warten weiter, die Autos halten an und alles ist entspannt.
Im Park kann man für 200 Yen (etwa 1,50 Euro) einen Packen Rehkekse kaufen und die Rehe füttern. Eigentlich hätten wir das gar nicht tun brauchen, da auch so wirklich schon alles voller Rehe und Hirsche war. Aber hey, wann kann man schon mal Wild füttern, das nicht in Gehegen eingesperrt ist. Es stellte sich jedoch heraus, dass schon beim Kauf der Kekse die Rehe etwas unentspannt wurden. Während wir die Kekse kauften, wurden wir bereits von einem kleinen Hirsch dezent mit dem Kopf in den Rücken gestoßen. Und als wir dann die Kekse hatten, kam gleich eine ganze Horde an und wurde etwas aufdringlich. Einer der Hirsche hat mir sogar - natürlich ganz vorsichtig - in den Bauch gezwickt. Man fühlte sich dann doch ziemlich von den Viechern bedrängt. Eine weitere Erkenntnis: Wirft man einen Keks zur Seite weg, apportiert Wild nicht, sondern ignoriert das einfach. So musste man sich Schritt um Schritt von den Tieren zurückdrängen lassen und drauf aufpassen, dass nicht doch mal eins der Viecher nach einem Finger schnappt. Trotzdem ein sehr lustiges Erlebnis.
Der Park in Nara ist vollgestopft mit beeindruckenden Tempelanlagen, Museen und Zeug. Die Rehe sind wirklich überall (und man muss natürlich aufpassen, weil alles auch voller Rehscheiße ist). Unser Hauptziel war der Tōdai-ji. Ein riesiger Tempel mit einer riesigen Buddha-Statue. Der Tōdai-ji war mal das größte Gebäude, das ausschließlich auch Holz gebaut wurde. Mittlerweile gibt es unter anderem ein Baseball-Stadion in Japan, das größer als der aktuelle Tempel ist. Und der aktuelle Tempel ist vor im 17. Jahrhundert neu gebaut worden und etwa 30% kleiner als das Original. Heute hat der Tempel "nur noch" eine Höhe von 47 Metern. Ebenfalls bemerkenswert ist das Tor vor dem Tempel aus dem 12. Jahrhundert. Und schließlich steht mit 15 Metern Höhe in der großen Halle die größte Buddha-Statue aus Bronze der Welt. Die Buddha-Statue stammt aus dem 8. Jahrhundert und trieb Japan beinahe in den Ruin. Etwa 90.000 Handwerker sollen am Bau beteiligt gewesen sein, es wurden ganze Hügel eingeebnet und es brauchte viele Versuche, bis die gigantische Figur stand.
Vor der großen Halle sitzt eine sehr berühmte Statue des Binzuru. Nach buddhistischem Glauben kann man an diesen Statuen einen Körperteil streicheln und erfährt dann selbst Wohlbefinden und Gesundheit an ebendieser Stelle. Die schalen Witze könnt Ihr Euch heute mal selbst ausdenken.
Im Inneren der großen Halle haben wir uns natürlich unseren Goshuin abgeholt, auf dem Rückweg noch ein paar Rehe gestreichelt. Und dann ging es wieder mit dem Regionalzug in die Abenddämmerung gen Kyoto.
Bildergalerie
Kommentare
Es wurden noch keine Kommentare verfasst.