Ein voller Strahl aus der Partikelkanone
Da Wetter sollte gleich der erste Härtetest für meine neue Feuerrüstung werden. So ging es im schnieken, japanischen Polyester-Hemdchen mit viel Windlöchern und meinem Handtuch raus in den Kampf. Auch wenn das Thermometer schon recht unangenehme Temperaturen zeigte, war's aber erstaunlich erträglich. Selbst der ein oder andere Japaner beklagte sich dennoch über das Wetter. Angeblich solle einer der allerschlimmsten Tage des Sommers sein. Kann ich nicht bestätigen. Die Wetterkrankheit scheint besiegt. Aber ich soll ja nicht mehr so viel über das Wetter schreiben.
Auf dem Weg von der Bahn zur Schule laufe ich jetzt immer durch eine nette, halbwegs klimatisierte Passage. Das geht schön schnell. In der Passage gibt es ein lustiges Glockenspiel, das zu jeder vollen Stunde ein lustiges Liedchen spielt. Irgendwie kam mir die dargestellte Szenerie einigermaßen bekannt vor. Was mag das sein? Hm, hm, hmmm. Die Passage und auch das Glockenspiel haben einen etwas merkwürdigen 80er-Jahre-Charme. Irgendwie fühlt es sich an wie die leicht angeranzten Einkaufspassagen, die es in Bielefeld gegeben hat. Nur dass hier die Geschäfte seltsam sind und alles voller Japaner ist.
In der Schule war's heute etwas anstrengend. So langsam aber sicher machen sich die Stunden bemerkbar und die Aufnahmefähigkeit sinkt. Und dann gab es heute wirklich was um die Ohren. Partikel rauf und runter. Partikel kennen wir ja schon. Das sind die lustigen Dinger, die Japaner hinter die Wörter im Satz kleben, um zu bestimmten, welche Funktion das Wort im Satz hat. Es gibt Partikel für das Thema des Satzes, es gibt welche für Objekte (transitiv und intransitiv), für Orte, Richtung, Besitz. Das ist schon nicht so wenig, aber irgendwann hat man den Grundstock drauf. Aber dann wird es wilder. Die Japaner benutzen diese Partikel im Satz, um alles mit allem irgendwie zu verrückten Konstrukten zusammen zu bauen. Manche dieser Konstrukte erinnern ein wenig an die deutsche Vorliebe, aus einer bunten Tüte Hauptwörtern wahre Monströsitäten zusammenzubauen. Und das wird schnell unübersichtlich. Wenn man dann noch Hörübungen hat, in denen Japaner in normaler Geschwindigkeit solche Kunststücke vollführen, schlackert man schon etwas mit den Ohren. Aber das ist eigentlich wie so häufig. Davon lässt man sich einfach nicht entmutigen, wiederholt es ein paar Mal und dann sitzt es. Und schon geht es auf zur nächsten Quälerei. Meine Mitbewohnerin, die mir in meinem Lerntempo vermutlich drei, vier Jahre voraus ist, sagt, dass sie heute auch mit Partikeln gequält wurden. Das hört also einfach nicht auf. Aber man muss sagen, dass das auch ein spannendes Thema ist. Wenn man so langsam immer mehr dahinter kommt, wie eine total fremde Sprache funktioniert und wie dann entsprechend die Leute wohl denken.
Nach der Schule bin ich mit meinem lustigen Mitschüler Gino noch ein wenig durch ein Kaufhaus gezogen. Insbesondere in der CD-Abteilung (CDs und DVDs sind in Japan noch ein großes Ding!) haben wir viel Spaß gehabt. Wir haben Musikrichtungen raten gespielt. Also ein möglichst wildes Cover aussuchen, Genre raten und reinhören. Meist war es schwierig, die Musik überhaupt einem Genre zuzuordnen. Aber wir hatten viel Spaß, insbesondere natürlich auch mit den ziemlich sinnfreien Bandnamen. Unser Favorit war My Hair is Bad. Die gibt es wirklich:

Weil sonst nichts auf dem Plan stand, ging es danach nach Hause. Vorher natürlich noch eine Runde Essen und Trinken im Supermarkt kaufen. Und was steht da im Bierregal? IPA! Black Ale! Und weitere, exotische Biersorten wie Kölsch und Alt. Ich konnte gerade noch so widerstehen. Ich habe stattdessen mal eine Art japanisches Alster, also Bier mit Zitronengeschmack, probiert. War aber nicht so doll. Dazu einen bunten, isotonischen Drink. Der schmeckte allerdings nach Red Bull. Wäh!
Apropos wäh: Der Softdrink-Trend des Jahres in Japan ist Crystal. Also, natürlich nicht Crystal Meth, sondern durchsichtige Getränke. Es gibt quasi alles in Durchsichtig. Heute mittag habe ich Crystal Coke probiert. Und die schmeckte echt eklig. Was ich aber unbedingt noch probieren möchte, ist Crystal Latte - also quasi durchsichtiger Eiskaffee, bestimmt ebenfalls schrecklich - und Crystal Beer - Da habe ich gar keine Vorstellung, was das sein soll.
Wir sind jetzt zu viert im Share House. Heute abend ist ein Italiener eingetroffen. Der hat hier schon mal drei Monate gelebt und ist jetzt zurückgekehrt, weil er einen Job bei Lamborghini in Fukuoka bekommen hat. Klingt auch erstmal nicht unspannend. Ansonsten rollt gerade der Taifun doch auf Fukuoka zu. Das juckt hier aber eigentlich niemanden. Der Taifun muss dafür erst noch einmal komplett über Kyushu rüber. Bis er dann in Fukuoka ankommt, besteht er nur noch aus Regen. Ich hoffe, es wird nicht zu viel regnen. Denn eigentlich wollte ich doch morgen nach der Schule Schrein gucken gehen in Dazaifu.
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Kommentare
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Am 15. August, 22:33 Uhr (Japan), 15. August, 15:33 Uhr (Deutschland)Danke für die Infos. Wenn das Wetter so extrem ist, diktiert es natürlich den Tagesablauf mit. Machs Beste draus. Gestern abend sahen wir einen japanischen Film. Wir mussten an dich denken und fanden einiges was du über die Japaner ausgeführt hast bestätigt. Weiter viel Spass und gute Einsichten.Am 16. August, 18:31 Uhr (Japan), 16. August, 11:31 Uhr (Deutschland)Mittlerweile ist es ja massiv besser geworden. Die Nächte sind nach wie vor mit um die 30 Grad und hoher Feuchtigkeit recht unangenehm. Aber tagsüber ist es in Fukuoka in T-Shirt und kurzer Hose schon eher auf dem Weg, etwas frisch zu werden. In Tokio sind für nächste Woche nachts Temperaturen um die 20 Grad angekündigt. Ich bin sehr gespannt.
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Am 15. August, 02:12 Uhr (Japan), 14. August, 19:12 Uhr (Deutschland)"My Hair is bad" ist gar nicht mal so schlecht. Wir haben uns hier letztens "Babymetal" angehört (Gimme chocolate: https://www.youtube.com/watch?v=WIKqgE4BwAY), quasi schonmal als Einstimmung auf die japanische Musikszene. Die sollen dort recht abgehen und ganze Stadien füllen. Ich habe Angst...Am 15. August, 09:39 Uhr (Japan), 15. August, 02:39 Uhr (Deutschland)Babymetal sind auch bei uns ziemlich groß. Ich glaube, die sind schon vor fünf Jahren oder so in Europa als Vorgruppe von Lady Gaga aufgetreten. Ein Mitschüler (Rentner!) hat die schon mehrere Male in Deutschland gesehen und würde sie gerne Mal in Japan sehen. Aber ist wohl schwer, an Karten zu kommen. Ich finde Babymetal ziemlich, hm, amüsant. Aber schon im positiven Sinne. Vielleicht schreibe ich heute oder morgen mal was zu The Margarines. Das ist eine lustige Truppe!