Endlich wieder Schule
Zugegeben war ich nicht allzu traurig, dass wieder Schule war. Zum Einen macht es wirklich Spaß und ich merke tatsächlich Fortschritte. Und zum Anderen ist für heute und morgen wieder richtig fieses Wetter angekündigt worden. Tagsüber 37, nachts 29 Grad sagt Tante Google. Und die hatte auf zwei Tage im Voraus bisher leider meistens Recht.
Die Nacht war nach dem Gewitter schon ziemlich unangenehm. Draußen fühlte es sich eher wie ein türkisches Dampfbad an, bei gemütlichen 31 Grad um 0 Uhr. Das braucht echt keiner. So musste ich das erste Mal seit... hm, Dienstag wieder die Klimaanlage in meinem Zimmer benutzen. Und auch wenn sie schwer zu kämpfen hatte, hat sie ihren Job gut erfüllt. Ich konnte unter sanftem Rattern, Röhren und Pusten zügig einschlafen. Spaß aus der Klimaanlage muss man hier im Haus übrigens bezahlen, für 100 Yen (etwa 75 Cent) bekommt man 80 Minuten kalte Luft um die Ohren gepustet. Ich habe gestern nur eine Runde eingeworfen, bin dann eingeschlafen und erst um kurz nach 9 Uhr aufgewacht. Bis dahin knallt die Sonne schon erbarmungslos auf das Dach und wir hatten, hm, so um die 35 Grad im Zimmer. Aber ging, ich hatte nur etwas Durst. Akklimatisierung läuft offenbar.
In der Bahn war es heute morgen (das heißt bei mir wie auch zuhause: etwa gegen 10 Uhr) deutlich voller als normalerweise, ich würde sogar schätzen, die dreifache Menge an Fahrgästen. Und natürlich weiß ich, warum: Es ist お盆 (Obon). Obon ist eines der wichtigsten buddhistischen Feste in Japan. Mitte August gedenkt man seinen toten Vorfahren und hängt dafür an Tempeln hunderte schicker Lampen auf. Offiziell sind die Obon-Tage keine Feiertage, aber sehr viele Japaner nehmen sich frei und besuchen die Verwandtschaft. Viele Geschäfte haben deshalb geschlossen und auch einige Firmen machen Betriebsferien. Ich find's gut, so kann ich mich schon mal vorsichtig an die Zustände in Tokio gewöhnen. Mal schauen, was ich dazu in einer Woche sage.
Die Schule hat wieder ordentlich Spaß gemacht und ich konnte meinen Adjektiv-Wortschatz etwas auffrischen. Adjektive in Japan, das ist ein Mist. Wenn man in Japan "Es war schön" sagt, wird nicht das Verb, sondern das Adjektiv konjugiert. Und bei Verneinungen ebenso. Natürlich ist Verneinung und Vergangenheit nochmal anders. Und es gibt zwei verschiedene Arten von Adjektiven, die anders verändert werden. Welches Adjektiv von welcher Art ist, lernt man durch Auswendiglernen. Hurra!
Immerhin haben wir heute auch noch einen schönen Zungenbrecher gelernt: 庭には二羽鶏がいる Hahaha! Der ist gut, ne? Auch noch erklären? Na, gut. Erstmal wie man es ausspricht: Niwa ni wa niwa niwatori ga iru. Jetzt nicht superschwer zu sprechen, aber schon witzig. Übersetzt: 庭 > Niwa > Garten. に > Ni > Im. は > Wa > Thema-Partikel (also "im Garten" ist das Thema des Satzes). 二羽 > Niwa > zwei (das erste Zeichen ist "zwei", also Ni. Das Zeichen dahinter ist eine weitere garstige Eigenheit des Japanischen: Die Zählwörter sind für unterschiedliche Gegenstände anders. Es gibt Zählwörter für Menschen, große Tiere, kleine Tiere, flache Gegenstände, kleine und lange Gegenstände, Maschinen, Etagen und so weiter. Wa ist das Zählwort für Vögel. Nein, das denke ich mir wirklich nicht aus). 鶏 > Niwatori > Huhn (auch lustig: Wörtlich übersetzt ist Niwatori Gartenvogel. Also Huhn). が > Ga > Objekt-Partikel (das Verb am Ende macht also etwas mit dem Huhn). いる > Iru > sein, befinden. Wir setzen zusammen: Im Garten zwei Hühner sind. Niwaniwaniwaniwatoriiru. Jetzt könnt Ihr einen japanischen Zungebrecher und habt einen guten Einblick, mit was für einem Unfug ich mich hier den ganzen Tag herumärgern muss.
In der Mittagspause hieß es wieder: Raus aus der Schule, rein in den Konbini! Aber auch rein in die Mittagshitze. Erstaunlicherweise konnte ich es da ganz gut aushalten. Es gab aber auch einen angenehmen Wind. Und in der prallen Sonne mochte ich mich keine Sekunde länger als nötig aufhalten. Lustigerweise sehen das aber auch viele Japaner wie ich: Wartet man an einer roten Ampel, sammeln sich viele Leute im Schatten und nur die richtig harten Jungs stehen in der Sonne. Die haben dann aber durchaus mal schicke, schwarze Hose und weißes Businesshemd an. Keine schlechte Leistung.
Nach der Schule stand das nächste Abenteuer auf dem Programm: Ich habe erfahren, dass die Japaner bei dem Wetter ein wenig schummeln. Die tragen nämlich gar keine Hamburger T-Shirts aus zentimeterdickem Baumwoll-Fell. Sondern in der Regel ganz dünne Shirts, größtenteils aus Mischgewebe mit viel Polyester und ordentlich luftdurchlässig. Ich glaube, damit halte ich es dann auch an der Ampel in der Sonne auf. Also mal ab in's Kaufhaus. Schon kurz nach dem Betreten fühlte ich mich einigermaßen heimisch: Ein angenehmes Karstadt-Feeling durchströmte die Etagen. Die Abteilung mit den Herren-T-Shirts war schnell gefunden. Aber die Auswahl war schwierig. Die Japaner stehen total auf seltsame Sport-Shirts, besonders von bekannten Tennis-Ausstattern. Es gab eine eigene Ecke von Alpha Industries. Und der Rest war fast vollständig irgendwo zwischen "I love New York", "California Surf Club", Hiphop-Gangster-Yakuza-Klamotten und englischen Phantasiewörtern. Dazu noch ein paar Disney-Klamotten und Super Mario war natürlich auch da. Am Ende habe ich dann aber doch gleich drei ganz okaye, weiße (der Sonne wegen!) T-Shirts finden können. Größentechnisch war es auch gar nicht so schlimm, ich benötige zumindest bei T-Shirts nur eine Größe mehr als in Deutschland. Aus L wird hier LL. Die Größen darüber sind übrigens dann 3L, 4L. Zu den Shirts habe ich mir noch so ein Mini-Handtuch gekauft, das hier viele benutzen, um sich den Schweiß abzuwischen. Oder es sich mal in Wasser getränkt um den Hals zu hängen. Vielleicht bringt mich ja das auch wettertechnisch etwas weiter. Gezahlt habe ich für den Spaß etwa 30 Euro. Es ist nämlich gerade Sommerschlussverkauf. Toll, dieses Japan!
Auf dem Weg zur Bahn wunderte ich mich dann darüber, dass es teilweise wirklich extrem voll war. Und besonders an den Ausgängen der Haltestelle ballten sich die Leute. Der Grund war schnell gefunden: Es gab mal wieder einen gewaltigen Wolkenbruch. Schön, dachte ich mir, dann jetzt mal schnell nach Hause, dann ist es draußen gleich bestimmt sehr angenehm. Aber daraus wurde nichts. Zwar war die Temperatur wirklich fein und die Sonne versteckte sich hinter anständigen Wolken. Aber die Luftfeuchtigkeit war gefühlt hart an den 100%. Als ich mit meinem Abendessen (heute gab's ein wenig Sushi und einen Garnelensalat, mjamm!) unseren kleinen Hügel erklommen hatte, konnte ich nicht mehr unterscheiden, welche Feuchtigkeit ich unterwegs aufgesammelt und welche mein eigener Schweiß war. Aber es war erträglich. Und zuhause lief bereits die Klimaanlage im Entfeuchter-Modus, sodass ich direkt trocknen und mein Abendessen genießen konnte.
Jetzt gerade ist es etwa 23 Uhr und die Luftfeuchtigkeit ist ordentlich zurückgegangen (das heißt, es sind nur noch 73%). Dafür sind es 29 Grad und es soll bis Mitternacht sogar noch 31 Grad warm werden. Dass nachts die Temperatur steigt, ist mir auch neu. Ich vermute, das liegt daran, dass die Wärme aus dem Boden die kühle Regenluft wieder erwärmt? Oder es drängt sich die heiße Luft aus Gebieten, in denen es nicht geregnet hat, hier hin? Ich weiß es nicht. Ist mir aber auch total egal. Jetzt geht es in die warme Falle. Vermutlich mit 75 Cent Klimaspaß. Morgen wird nochmal ein verdammt heißer Tag. Ich hoffe, dass es der letzte ist.
Kommentare
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Am 14. August, 03:49 Uhr (Japan), 13. August, 20:49 Uhr (Deutschland)Nachdem wir ja jetzt seit mehreren Tagen ausführliche Temperaturbeschreibungen erhalten haben, wie wär's zur Abwechslung mal wieder mit ein paar Infos über Japan? ;)Am 14. August, 08:57 Uhr (Japan), 14. August, 01:57 Uhr (Deutschland)Aktuell gibt es nur Schlafen, Essen, Schule und Wetter. Aber mit etwas Glück ist das heute der letzte Tag davon. Am Mittwoch geht es hoffentlich nach der Schule zu Fukuokas tollster Sehenswürdigkeit.