Alltag in Fukuoka
Ha! Zumindest einer. Herzlich willkommen. Setz Dich hin und mach es Dir bequem. Heute gibt es statt toller Fotos eine Wand aus Text. Ich hatte bereits meinen dritten Tag in der Schule. Kinder, wie die Zeit vergeht. Damit ist die Hälfte der ersten Woche bereits um. Mittlerweile spreche ich fast perfekt Japanisch. Naja. In Wirklichkeit haben wir eigentlich nur Sachen wiederholt und vertieft, die ich bereits kannte. Aber in der Schule wird sehr viel Wert drauf gelegt, dass die Schüler viel sprechen. Das bringt natürlich eine Menge und führt regelmäßig zu lustigen Situationen. Ich habe heute auch ein schönes Kunststück vollbracht. Wir haben Sätze wie "Die Uhr ist auf dem Tisch" geübt. Auf dem Bild, das ich beschreiben sollte, saß eine Katze in einem Pappkarton. Was Katzen halt so gerne tun. Weil ich es mit dem Pauken von Vokabeln nicht so habe, habe ich bei dem Wort Kiste einen Vokal vertauscht. Aus 箱 (hako) wurde 墓 (haka). Und schon war die Katze nicht in der Box, sondern im Grab. Arme Katze.
Anfangs hatte ich etwas Sorge, dass ich viel zu viel Unterricht habe. Aber das passt super. Das Lerntempo ist super an die Schüler angepasst. Und in der Schule ist es angenehm klimatisiert. Und schon ist so ein Tag wie im Flug vorbei. Mittlerweile habe ich auch schon eine Art Routine. Ich schleiche in der Morgenhitze den Hügel hinab. Unten angekommen geht es in den 7-Eleven. Zum einen läuft hier die Klimaanlage immer auf Hochtouren. Und zum Anderen decke ich mich mit zwei Litern Wasser (und einer Flasche Pocari Sweat der Gesundheit wegen!) für den Schultag ein.
Konbinis sind toll
Hatte ich schon etwas über 7-Eleven und ähnliche Läden in Japan geschrieben? Wenn ja, einfach das Kapitel überspringen. Wer mal in den USA war, kennt diese praktischen 7-Elevens sicherlich, die es dort an jeder Ecke gibt. Jetzt gibt es Wikipedia-Fakten: 7-Eleven ist keinesfalls von den Amerikanern nach Japan gebracht worden, sondern das ist eine japanische Kette, die irgendwann auch mal über den großen Teich in die USA expandiert hat.
Der Name deutete ursprünglich auf die Öffnungszeiten hin: Von morgens sieben bis abends elf Uhr. Mittlerweile haben sie in Japan fast rund um die Uhr geöffnet. Und weil man mit den japanischen Lauten nicht so richtig gut englisch sprechen kann, sagt man hier nicht seven eleven, sondern セブン-イレブン (sebun-irebun). Das sprechen die Japaner ziemlich so aus, wie wir es auch aussprechen würden (für die Perfektionisten: Das r ist eine Art Mischung au r und l. Wer es noch genauer wissen will, Google Translate kann die Aussprache abspielen). Das ist quasi die Spitze des Eisberges zum Thema "Lost in Translation" hier.
Aber was ist denn jetzt bitte so ein 7-Eleven oder Konbini? In Deutschland gibt es eigentlich nichts Vergleichbares. Am ehesten muss man sich das wie eine Mischung aus Drogerie, Tankstellenshop (ohne Benzin natürlich) und Kiosk vorstellen. Es ist für Ausländer außerdem die beste und sicherste Form, per Kreditkarte an Bargeld zu kommen. Und Bargeld liebt der Japaner so, wie es der Deutsche tut. Hier bekommt man als Tourist also quasi alles, was man braucht. Sogar wirklich leckeres und günstiges Essen. Von Onigiri - leckeren Reisbällchen - über Sushi bis hin zu frischen Salaten oder gar warmen Speisen, die vom Personal liebend gerne in der Mikrowelle heiß gemacht werden. Alles wird in Plastiktüten eingepackt, selbst wenn man nur ein Kaugummi kauft. Darum ist einer der wichtigsten Sätze, die man als Tourist beherrschen sollte "袋はいりません (fukuro wa irimasen)" - "Ich brauche keine Tüte".
Der Name "Konbini" hat auch eine lustige Geschichte. Auch wenn 7-Eleven eine japanische Kette ist, haben sie das Konzept natürlich aus den USA kopiert. Dort heißen solche Läden Convenience Store. Wir haben ja schon festgestellt, dass die Übersetzung von englischen in japanische Laute problematisch ist. Das Wort ist aber auch total kompliziert und viel zu lang. Also nimmt man einfach den Anfang des Wortes "Conveni" und übersetzt es in japanische Laute. Zack, fertig ist der コンビニ (konbini).
Aber zurück zum Thema.
Und ab in die Schule!
Mit eiskaltem Proviant ausgestattet und ein wenig heruntergekühlt, geht es dann zur Haltestelle 大橋駅 (Ōhashi Station). Am Eingang packe ich wie ein waschechter Japaner meine coole nimoca-Karte auf das Einlasstor und schon darf ich mit dem Zug fahren.
Es sind nur wenige Minuten bis zur Endhaltestelle 西鉄福岡(天神)駅 (Fukuoka (Tenjin) Station). Am Ausgang wird wieder die Karte vor das Tor gehalten, der fällige Betrag wird in Sekundenbruchteilen abgebucht und das Tor öffnet sich. So praktisch! Danach ist es noch ein knapper Kilometer bis zur Schule. Der kann in brütender Hitze schon echt anstrengend werden. Ich habe aber bereits eine Route ausgekundschaftet, in der ich fast ausschließlich durch klimatisierte Einkaufspassagen laufen kann, ohne allzu großen Umweg. Ich Fuchs!
In den Fluren des Gebäudes ist es heiß und schwül, doch sobald man die Schultür geöffnet hat, beginnt der angenehme Teil des Tages: Schuhe aus (Das tut man in Japan fast überall, in Privathäusern, Firmen, traditionellen Hotels und Tempeln. Wie toll dieses Land ist!), die kalte Luft einatmen und hinsetzen. Nach einem kräftigen Schluck Pocari Sweat kann es dann losgehen: Zweimal 45 Minuten Einzelunterricht. Klingt aber bei weitem nicht so anstrengend, wie es ist. Wir üben Sachen, die mir wichtig sind, wiederholen ein paar Dinge. Ich kann endlich ein paar Fragen bezüglich der japanischen Sprache stellen, die ich bisher nicht beantwortet bekommen habe. Und ehe man sich versieht, ist die Wasserflasche halb leer getrunken und die Schulglocke bimmelt zur Mittagspause. Ich bin aktuell der einzige Schüler, der in der Schule zu Mittag isst. Um die Ecke gibt es einen Konbini (ein Lawson, was die Japaner Rouson aussprechen...), da gibt es leckeres Sushi, Bento-Boxen, Salate, Sandwiches, was das Herz begehrt, zum kleinen Preis. Dazu gibt es einen kleinen Nachtisch (Fruchtjoghurt, Obstsalat,...) und einen Softdrink, den ich nach Aussehen der Verpackung aussuche. Heute gab es einen sehr schicken, hm, kalten Grüntee mit cremiger Milch. Das mag ganz fürchterlich klingen, aber bei den Temperaturen hier war es das Leckerste, das ich mir vorstellen konnte.
Gegen Ende meiner Mittagspause trudeln dann unsere Lehrerin und der andere Part unserer Zweierlerngruppe ein. Doch heute war mein Mitschüler unpünktlich. Wir hatten bereits ein wenig Sachen wiederholt, die er schon gelernt, aber ich verpasst habe, als er zehn Minuten zu spät eintraf. Er fährt jeden Tag aus einem Vorort mit einem Zug etwa eine Stunde zur Schule. Und heute ist das Unfassbare passiert: Der Zug hatte Verspätung. Und da verbreitet das Internet ausnahmsweise keine Fake News: Nachdem die Fahrt fortgesetzt werden konnte, kam ein Bahnmitarbeiter herum, der jedem Fahrgast eine offizielle Entschuldigung übergab und sich kurz entschuldigte. Da mir das sonst niemand glaubt, gibt es rechts ein Beweisbild.
Diese Entschuldigungsschreiben sind nicht nur der japanischen Unterwürfig- und Gründlichkeit geschuldet. Sie dienen als offizielle Entschuldigung für das Zuspätkommen auf der Arbeit und in der Schule. In Deutschland kann man ja eigentlich jede Woche einmal sagen, dass die U-Bahn nicht pünktlich war und niemand merkt etwas (die eventuell mitlesenden Arbeitskollegen wissen glücklicherweise, dass ich sowas nie tun würde, ich gehe ja zu Fuß zur Arbeit). In Japan geht das nicht.
Nach diesem Schock für uns alle konnte der Unterricht wie gewohnt fortgeführt werden. Und ich konnte Katzen beerdigen.
Natürlich quatschen wir auch viel (leider meist in Englisch, weil unsere Japanischkenntnisse nur für das Beerdigen von Katzen ausreichen). Das zentrale Thema ist hier ähnlich wie in Deutschland das Wetter. Ganz Japan ächzt und stöhnt unter dem Sommer, der wie die letzten sechs Jahre ein Ausnahmesommer ist. Auch wenn der Wetterbericht online das nicht bestätigen kann: Man sagt hier, dass es gerade in Hokkaido, also ganz im Norden, wärmer als auf Okinawa, ganz im Süden, sein soll. Ansonsten fliegt gerade ein Taifun auf Tokio zu. Es sieht mittlerweile so aus, als würde das Auge des Sturms östlich vorbei ziehen. Auf zwei Tage heftigen Wind und Regen wird man sich dort dennoch einstellen müssen. Hoffentlich vergessen sie nicht, in unseren Hotelzimmern die Fenster zu schließen. Und ernsthaft: Hoffentlich passiert nichts Schlimmes.
Apropos Taifune und Okinawa: Mein Mitbewohner hat erzählt, dass er als Kind mehrere Jahre auf Okinawa gewohnt hat. Als ich gesagt habe, dass ich hoffe, dass für uns da alles glatt geht, hat er nur laut gelacht. Und meinte: Taifune auf Okinawa wären der allergrößte Witz. Er hat als Kind etwa zehn davon erlebt. Und das hieß immer nur: Zwei Tage im Haus bleiben und nicht zur Schule gehen. Es pfeift und regnet wohl gewaltig und manchmal fällt sogar ein Baum um. Aber das war's dann meist auch schon. Ich möchte ihm glauben.
Nach dem Unterricht geht es dann im Grunde den gleichen Weg nach Hause. Heute war um 16:30 Uhr das Wetter aber schon so angenehm für mich, dass ich noch etwas durch die Gegend geschlendert bin. Der Bereich um die Schule scheint so eine Art Geschäfts- und Einkaufsbereich zu sein. Sieht alles echt ganz nett aus. Wenn es mit dem Wetter so weitergeht, werde ich doch mal mit der Kamera dort vorbei schauen.
Nach der Rückkehr ins Hauptquartier habe ich zum ersten Mal keine Klimaanlage benötigt, um meinen Körper nach der Besteigung des mehrere Meter hohen Hügels mit Tüten voller Wasser heruntergekühlt zu bekommen. Es mag auch ein wenig daran liegen, dass das Wetter wirklich angenehmer geworden is, aber der Integrationsprozess meinerseits läuft. Noch ein paar Tage und die Japaner werden nicht mehr merken, dass sich ein Ausländer eingeschlichen hat.
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Kommentare
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Am 09. August, 19:43 Uhr (Japan), 09. August, 12:43 Uhr (Deutschland)Schon der dritte Schultag, und wir haben noch keine Infos darüber, was in Deiner Schultüte war! Zeig doch mal ein Foto! Ich tippe ja auf Pikachu...Am 09. August, 23:27 Uhr (Japan), 09. August, 16:27 Uhr (Deutschland)Über Pikachu hätte ich mich natürlich sehr gefreut. Hier gibt es leider keine Schultüten. Aber vielleicht bekomme ich morgen meinen Schulausweis.
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Am 08. August, 23:26 Uhr (Japan), 08. August, 16:26 Uhr (Deutschland)Danke für die ausführlichen Infos! Habe daraufhin Lust auf exotisches Erforschen bekommen und spontan einen Muffin mit Käsecreme drauf probiert - da sieht man wohin blogs führen können! Viel Spass noch!Am 09. August, 23:28 Uhr (Japan), 09. August, 16:28 Uhr (Deutschland)War es wenigstens ein leckerer Schnittlauch-Schmierkäse?