Der zweite Schultag und endlich Bilder
Der erste richtige Schultag
Gestern dachte ich noch, dass fünf Stunden Unterricht vielleicht doch ein wenig viel ist. Aber in der Schule ist es angenehm temperiert, die Lehrer sind sehr gut und es macht Spaß. Feine Sache! Heute haben wir ein bisschen Sachen wiederholt, die bei mir etwas eingerostet waren. Und dann ging es mitten rein in den "Gruppenunterricht". Wir sind zu zweit und das Niveau ist relativ ausgeglichen. Der Kurs ist in einigen Stellen schon etwas weiter, als wir es mit unserem Lehrbuch waren. Aber in vielen Bereichen bin ich deutlich voraus. Ist für mich ganz angenehm so. Das soll ja auch nicht in Stress ausarten.
Bilder, Bilder, Bilder
Jetzt gibt es aber mal was auf die Augen! Leider ist an ordentliches Sightseeing nach wie vor nicht zu denken. Aber immerhin hat es gestern für einen wirklich tollen Abendspaziergang durch unsere Wohngegend Chikushigaoka Hills gegeben. Hier ein paar Eindrücke.
Das Wetter hatte sich abends bereits auf lauschige 29 Grad bei sportlichen 70% Luftfeuchtigkeit abgekühlt. Auf dem ersten Bild ist noch nicht zu erkennen, weshalb unsere Wohngegend Hills im Namen hat. Der Stil ist aber schon ziemlich repräsentativ für die Gegend. Es wirkt alles ein wenig, als hätte man amerikanische und japanische Baustile miteinander zu verknüpfen versucht. Die meisten Häuser sind in edlen Beige- und Grautönen gehalten. Man erkennt aber auch, dass hier nicht für die Ewigkeit gebaut wurde. Aber vermutlich schon ein besserer Stadtteil. Und wie überall in Japan ist natürlich alles super gepflegt. Man kümmert sich mit Hingabe um die Gärten, abends wird auch immer Sommer gerne mal von den Anwohnern selbst eifrig Laub auf den Wegen gefegt. Und Müll auf den Straßen findet man zumindest hier wirklich überhaupt nicht.
Zwischen den Wohnhäusern gibt es diverse Parks und Schulen. Hier zu sehen ist der Sportplatz der Chikushigaoka Middle School. Wenn ich morgens zur Bahn gehe, kommen mir einige Schüler entgegen. Ich gehe bergab, sie gehen bergauf. Ich schwitze und kämpfe, sie tragen zumeist lange Hosen und lachen. Aber zum Glück trifft das auch nicht auf alle zu. Manche sehen in etwa so mitgenommen aus, wie ich mich fühle. Auf den Sportplätzen der Schule findet tatsächlich Sportunterricht statt. Heute morgen habe ich auf einem anderen Sportplatz eine Schulklasse beim Hockey (Feld-, nicht Eis-) gesehen. Einfach nur verrückt. Ich wage jetzt schon mal eine Prognose: Japan wird bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio ziemlich gut abschneiden. Hoffentlich fallen nicht allzu viele Konkurrenten während des Wettkampfs um.
Auf dem nächsten Bild ist besser zu erkennen, wie hügelig es hier ist. Der Lieferwagen ist ein Ta-Q-Bin-Wagen. Damit kann man sein Gepäck halbwegs günstig innerhalb von 24 Stunden zum nächsten Reiseort schicken. Vor der Abreise dachte ich noch, wie verwöhnt diese Japaner wohl sein müssen. Jetzt habe ich eine ungefähre Ahnung, warum man nicht gerne mit 20 Kilogramm Gepäck reist. Der Lieferwagen im Bild gehört zur Yamamoto Co. Die nennen sich auch 黒猫, was nichts anderes heißt als "schwarze Katze". Und entsprechend haben sie als Logo eine schwarze Katze, die ihr Junges im Mund trägt. Wie süß!
Lustige Geschichte zu dem Foto: Ich war gerade dabei, das Bild aufzunehmen, als ich von hinten den Lieferwagen kommen sah. Ich dachte direkt, der macht sich doch bestimmt prima in dem Bild. Und deshalb habe ich gewartet, dass er sich schön in Szene bringt. Und was macht der Fahrer? Er hält an, damit er mein Bild nicht stört. Ich habe mich natürlich artig bedankt und ihn vorbeigewunken. So ist das hier eigentlich überall. Alle sind unglaublich bemüht, sich gegenseitig zu helfen oder zumindest sich nicht gegenseitig auf die Nerven zu gehen.
Ich weiß jetzt auch, weshalb die Japaner so kastenförme Autos mögen. Die kauft man offenbar perfekt auf den eigenen Parkplatz zugeschnitten. Da gibt es bestimmt mittlerweile einen Online-Service, wo man die Maße seines Parkplatzes angibt und dann das perfekte Auto dafür produziert bekommt. Ob es Zufall ist, dass das Haus die selbe Farbe wie das Auto hat? Könnte ich es, würde ich fragen gehen. auf dem Auto steht NPO コスモス, also NPO Kosmos. Das ist offenbar eine Non-Profit-Organisation. Mehr konnte ich aber jetzt mit Google auch nicht herausfinden, bevor ich das Interesse verloren habe.
Der Flughafen von Fukuoka ist nicht weit. Entsprechend fliegen immer mal wieder Flugzeuge über das Viertel. Viel hören tut man davon allerdings nicht, was vermutlich an all den Ventilatoren und Klimaanlagen liegt, die hier so zum Einsatz kommen. Im Hintergrund rechts eine weitere Schule, davor der Chikushigaoka Central Park. Klingt nach großem Aufriss, ist aber eher etwas beschaulich. Erstaunlicherweise gab es in dem Park aber einiges an Grünfläche. Die ist zwar teilweise arg angegriffen, sonst aber erstaunlich grün. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Grünflächen hier regelmäßig gegossen werden. Ob die Pflanzen hier auch das japanische Unbesiegbarkeitsgen haben? Oder reicht den Pflanzen eventuell gar die Luftfeuchtigkeit, um genug Wasser aufzunehmen? Dann würde sich ja zumindest einer über die Feuchtigkeit freuen.
Im Park war nicht viel los. Ein Mann führte seine kläffenden Mini-Pudel Gassi. Und ein älterer Herr nutzte die gemütliche Abendstimmung, um ein wenig... zu schaukeln! Kannst Du Dir nicht ausdenken. Ja, sind denn hier alle verrückt? Und warum tut niemand etwas dagegen? Ein paar Jogger und diverse Rennradfahrer habe ich ebenfalls gesehen. Einige hatten einen Rucksack auf dem Rücken, vermutlich fahren die mit dem Rad zur Arbeit. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das macht.
Direkt an den Park grenzt eine weitere Schule, im Hintergrund zu erkennen. Ob die Kids von heute in der großen Pause in den Park gehen und dort heimlich rauchen und Marihuana dealen? Würde dem Klischee von Japan nicht entsprechen. Und wenn man sich die japanischen Schüler so anschaut, kann man sich wirklich nicht vorstellen, dass das hier der Görlitzer Park von Chikushigaoka Hills ist. Aber apropos Verbrechen: Ich habe heute erfahren, dass wohl ein paar der berühmtesten Yakuza-Clans aus einem Vorort von Fukuoka stammen. Aber zurück zum Park. In der Mauer rechts kann man lauter kleine Überlauf-Wasserrohre erkennen. Von dieser Art Mauern gibt es hier in der Ecke eine ganze Menge. Ich vermute, sie dienen als Ablaufmöglichkeit im Fall von Überschwemmungen. Die Regenzeit im Juni soll ziemlich unangenehm sein.
Langsam aber sicher geht die Sonne unter. Das ist dann auch relativ schnell an der Temperatur spürbar. Sprich: Außentemperaturen unter 30 Grad. Aber dafür steigt in der Regel die Luftfeuchtigkeit. Und das kann ziemlich unangenehm werden. Mittig am oberen Ende des Ballfangzaunes befindet sich eine altmodische Flutlichtanlage. Die gilt es, auf dem nächsten Bild ein wenig zu bewundern.
Den FC Bayern München bekommst Du mit so einer Flutlichtanlage sicher nicht ins Stadion. Aber vielleicht schauen Poldi und Iniesta mit dem FC Kobe ja mal vorbei. Ich kann mich daran erinnern, solche Flutlichtmasten schon in dem einen oder anderen Anime gesehen zu haben. Und im Hintergrund lässt sich gut erkennen, dass Fukuoka durchaus hügelig ist, obwohl es direkt am Meer liegt. Der höchste Berg im Umkreis ist der Sefuri-san mit knapp über 1000 Metern Höhe. Und der ist nur etwa 16 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Da werden die Holländer neidisch. So ein toller Berg, das ist ja noch viel besser als in Winterberg.
Der Central Park in all seiner epischen breite. So ein Foto kannst Du im Central Park in New York nicht machen. Und für japanische Verhältnisse sehr ungewöhnlich: Es sind keine Menschen im Bild. Nein, die habe ich nicht rausretuschiert. Der Park war pünktlich zum Sonnenuntergang vollständig leer, es wurde auch nicht mehr geschaukelt. Was mich auch etwas erstaunt hat bisher, dass ich eigentlich fast nur Laubbäume gesehen habe. Ich hätte mit deutlich mehr japanischen Nadelbäumen gerechnet. Aber die Flora hält sich wohl nicht einfach so an jedes Klischee aus dem Reiseführer.
Im Hintergrund erkennt man erneut die Hügelketten rund um Fukuoka. Was man hier aber auch recht gut erkennen kann, wie schlecht die Fernsicht ist. Auf dem Foto sieht es etwas schlechter aus, als es in Wirklichkeit ist. Aber auch da merkt man die Luftfeuchtigkeit. In der Mitte des Bildes steht unmotiviert eine Palme herum. Warum? Weil sie es kann. Im Winter soll es in Fukuoka bisweilen sogar schneien und das Thermometer unter die Null-Grad-Linie wandern. Was die Palme dann wohl macht? Naja, vorstellen kann ich mir das gerade eh nicht.
Und dann verschwindet sie ganz, die gute Sonne. Leider musste sich ein wichtigtuerischer Strommast genau vor die Sonne stellen, deswegen ist es nur halb so schön geworden. Es passt aber auch irgendwie, denn solche Strommasten stehen hier an jeder Ecke. Ein ungewohntes Bild, wenn man es aus Deutschland gewohnt ist, dass man alles schön ordentlich unter die Erde legt. Einige dieser Strommasten hängen so voller Kabel, dass man sich fragt, wie man da noch den Überblick behält.
Solch ein Mast steht auch direkt vor unserem Haus. Als ich nach dem ersten, kurzen Hitzetest wieder nach Hause gekommen bin, hörte ich plötzlich ein ohrenbetäubendes Surren und Brummen, sowie metallische Kratzgeräusche in wirklich ohrenbetäubender Lautstärke von dem Strommast. Erst dachte ich, was da denn wohl kaputt an dem Mast ist und ob das so sein soll. Als ich dann später aber ähnliche Geräusche aus diversen Bäumen gehört habe, konnte ich das Rätsel lösen: Zikaden! Die kriechen in Japan nach der Regenzeit aus dem Boden und lärmen alles voll. Ein einzelner Baum kann dann schon mal so laute Töne machen, dass man in Deutschland nach 22 Uhr die Polizei wegen Ruhestörung rufen würde. Schaut man dann jedoch in den Baum, sieht man wirklich rein gar nichts. Angeblich ist es ziemlich schwierig, so eine Zikade trotz des Geräuschpegels zu Gesicht zu bekommen. Aber ich komme ja aus dem Lande der Humbolds, Grzimeks und Sielmanns.
Und so ist es mir nach wenigen Sekunden tatsächlich gelungen, ein lebendiges Exemplar zu fotografieren. Es hatte sich als Versteck keinen Baum, sondern ein Straßenschild gesucht. Ganz schön doof! Die größe kann ich schwer einschätzen, würde aber auf eine Länge von fünf Zentimetern tippen.
Am ersten Abend habe ich mich ja schon gefragt, ob die Biester denn irgendwann auch mal Ruhe geben. Die Antwort kam überraschend und plötzlich mit dem Sonnenuntergang. Fast augenblicklich war die ganze Bande still. Irgendwann in der Nacht gab es nochmal kurz etwas Theater, aber ansonsten auch sehr japanisch erzogen. Und schon nach wenigen Tagen nimmt man das Surren und Knarren so gut wie gar nicht mehr wahr.
Nach so viel harter Lauferei war dann auch mal gut. Zur Belohnung ging es noch schnell an den nächstbesten Getränkeautomaten, ein paar Yen-Münzen eingeworfen und eine wundervolle Belohnung in Form von eiskaltem Apfelsaft gezogen. Herrlich!
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Kommentare
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Am 08. August, 00:24 Uhr (Japan), 07. August, 17:24 Uhr (Deutschland)Danke für die Infos. Vielleicht gewöhnst du dich noch etwas an die Hitze. Gute Nacht und bis bald.Am 09. August, 23:37 Uhr (Japan), 09. August, 16:37 Uhr (Deutschland)Das mit der Hitze ist schon deutlich besser geworden. Das lag aber auch zum Teil daran, dass es kühler geworden ist. Die nächst Welle mit bis zu 36 Grad rollt bereits heran. Aber das wird schon.