Vietnam - Das Finale
Der mittlere Vogel fängt den mittleren Wurm
Auch der dritte Tag begann wieder etwas später. Und das obwohl ich weder mein immenses Schlafdefizit mal etwas aufarbeiten, noch gar ein bisschen vorschlafen konnte. Immerhin muss ich heute abend gegen Mitternacht zum Flughafen und verbringe mal wieder eine wunderbare Nacht im Flieger. Thore habe ich den Vormittag mal freigegeben, das hatte er sich aber auch wirklich verdient. Naja, eigentlich hatte er nur keine Lust, nochmal ins Kriegsreste-Museum zu gehen. Konnte ich gut nachvollziehen, das ist ja jetzt auch kein Wohlfühlort, den man sich alle zwei Wochen mal gerne anschaut. Also schnell Futter und Flüssigkeit eingeworfen und ab dafür. Da das Museum nur wenige hundert Meter vom Hotel entfernt war, habe ich mir das Taxi gespart und mich lieber durch die Schwüle gequält. Schwitzen ist ja gesund.
Das Kriegsreste-Museum ist dann genau das, was man erwartet: Ein schmuckloser Bau im 60er-Ostblock-Stil. Davor ein Fuhrpark an Kriegsgerät. Der Eintritt ist auch hier quasi geschenkt und das Museum ist trotz der Hitze sehr gut besucht. Ein paar Fotos habe ich gemacht. Allerdings ist die Stimmung da sehr schnell so bedrückend, dass man nicht alles kurz und klein knipsen möchte. Ich sage es mal vorsichtig: So richtig gut weg kommen die Franzosen und insbesondere Amerikaner da nicht. Ziemlich explizit werden diverse üble Kriegsverbrechen dokumentiert. Das Ganze ist nochmal diverse Spuren härter als man es aus den Vietnam-Antikriegsfilmen kennt. Da geht es ja meist eher um die Befindlichkeiten der amerikanischen Soldaten. Dass die da aber Millionen Zivilisten vergewaltigt, hingerichtet, vergast und niedergemetzelt haben, wird eher nicht so thematisiert. Spätestens in den Räumen, die sich mit Agent Orange und den Sofort- und Spätfolgen auseinandersetzen, wird es richtig unappetitlich. Dass der Dreck auch heute noch Auswirkungen hat, war mir bekannt. Aber nicht in welchem Ausmaß. Und dass sich die Amerikaner dafür bis heute nicht verantwortlich zeigen. Das tun sie aber auch für die begangenen Kriegsverbrechen nicht.
Starke Stimme für den Frieden
Irgendwie bekommen sie dann aber doch noch die Kurve. Es gibt eine sehr große Fläche unfassbar beeindruckender (und natürlich ebenfalls bedrückender) Fotos von internationalen Pressefotografen. Natürlich das Napalm-Mädchen, der Typ, der in Hanoi (?) exekutiert wird. Aber auch noch unzählige, kaum weniger ergreifende Bilder. Dazu einiges an persönlichen Geschichten über die Fotografen, von denen ebenfalls viele den Krieg nicht überlebt haben. Dazwischen gibt es viel nationalen Stolz, besonders dieses "Wenn sie unser Land einnehmen wollen, müssen sie jeden von uns ermorden". Und ganz zum Schluss wird übergeleitet in damalige, internationale Friedensbewegungen und ein paar Plädoyers, dass wir diese unfassbare Geschichte nicht vergessen sollen und darauf achten, dass sowas nicht nochmal passiert. Zum Beispiel im Irak, Afghanistan oder Syrien. Ja, Du bist gemeint, Amerika!
Ein paar weitere Fotos kleb ich unten an.
Zeit für Mittagessen
Dann gab's im Museums-Café noch schnell ne Cola (ja, ich weiß...) und schon kam mein Rollertaxi, um mich zum Mittagessen zu fahren. Da dies meine letzte Mahlzeit im Lande werden sollte, wurde es Zeit für die vietnamesische Nationalspeise Pho ("Fuh"): Eine kräftige Nudelsuppe mit unendlich vielen Variationsmöglichkeiten, Gemüseinlagen und was immer man noch so in eine Suppe werfen kann. Dazu gibt es leckeres Brot. Und das Ganze schmeckt genauso herrlich, wie es aussieht. Da ich ja kein Food-Blogger bin, habe ich auf Fotos verzichtet. Verursacht sonst nur tropfende Münder. Kann ich aber auf jeden Fall empfehlen und das kann man bestimmt auch über Jahre essen, ohne dass es mal langweilig wird.
Nach dem Mittag ist Kaffeezeit
Nach dem Essen tut ja ein Kaffee gut. Kann man sich natürlich einfach irgendwo ziehen oder gar in einen Starbucks gehen. Oder man fährt zu einem Rooftop Café direkt am Saigon (das ist ein Fluss, habe ich gelernt!). Nachdem mir an diversen Ecken bereits vietnamesischer Kaffee angeboten wurde, musste ich den zumindest noch probieren. Und was soll ich sagen? Auch super. Schmeckt deutlich stärker geröstet als unser Kaffee, dabei aber trotzdem noch süßlicher. Hat mir gut gefallen. Die Aussicht war natürlich ebenso spitze und so konnten wir gemütlich einen erneuten Regenguss aussitzen.
Die rosa Kirche
Während es draußen bereits dunkel wurde, haben wir als letzte Aktion noch die rosa Kirche Tan Dinh besucht. Natürlich wieder nicht einfach so, sondern auch dort war ein ordentlicher Volksauflauf. Halb HCMC hat sich auf den Roller gehockt, um mir nochmal Tschüss sagen zu können. Oder irgendwas mit Jesus, das konnten wir nicht herausfinden. Der Laden war auf jeden Fall nicht nur bis auf den allerletzten Platz ausgebucht. Selbst um die Kirche herum standen Dutzende, um am Gottesdienst teilzunehmen. Neben der Farbe und den ganzen Rollern sorgte das für eine sehr merkwürdige Atmosphäre. Der Gottestdienst selbst klang auch eigentlich ganz nett. Nicht so ein verkniffenes Herumgeleide, wie bei uns häufig, sondern eher etwas locker und entspannt. Neben der Kirche ist der "Friedhof". Aus Platzgründen gibt es nur eine kleine Plakette an einer Wand. Grob überschlagen hängen alleine dort bereits zehntausende Plaketten. Weitere Kirchenfotos und ein Video gibt's unten.
In der Höhle eines Einheimischen
Da noch etwas Zeit war, sind wir noch schnell einen wahrhaftigen Einwohner der Stadt zuhause besuchen gefahren. Zum Glück kann der das hier nicht lesen, weshalb ich ganz offen sagen kann: Also so schlecht wohnt Thore gar nicht! Die Wohnung ist ein bisschen klein und hat nur einen Raum, was das Empfangen von Besuch irgendwie eher zu einer Art Kinderzimmerbesuch macht. Aber ansonsten ganz schick, modern und hat alles, was man so braucht. Und die Aussicht von der Dachterasse würde ich ohne Übertreibung als spektakulär bezeichnen. Fotos habe ich keine gemacht. Wer sehen möchte, wie Thore wohnt, kann von mir gerne die Adresse haben.
Und dann hieß es auch schon: Ein letztes Mal auf den liebgewonnenen Roller, zum Hotel, Gepäck abholen und mit dem Taxi zum Flughafen. Was ich da erlebt habe, folgt im nächsten Artikel. Bleibt also ein Fazit: Vietnam ist spitze. Man spürt, wie es hier gerade boomt. Ich kenne als Vergleich in Asien bisher nur Japan. Vietnam ist größtenteils fundamental anders. Die Leute sind viel direkter und gehen mehr aus sich heraus. Das bedeutet zwar auch, dass man gerne mal von irgendwelchen Touristen-Neppern belästigt wird, hält sich im Vergleich zu den meisten anderen Ländern aber immer noch sehr im Rahmen. Ohne Roller ist es schwierig, die Stadt zu erschließen. Zwar kann man günstig mit dem Taxi von A nach B, aber das ist schon deutlich aufweniger. Vielleicht wird ja demnächst die U-Bahn fertig. Sehenswürdigkeiten, Essen, Trinken, Party, alles tipptopp und total günstig. HCMC soll sehr westlich sein, der Rest des Landes deutlich "vietnamesischer". Deshalb eignet sich HCMC auf jeden Fall, um sich Appetit auf mehr Vietnam zu holen. Ich glaube, ich komme nochmal wieder. Was aber auch ein bisschen an Thore liegt. Das war echt toller Service. Nicht nur reihenweise starke Insider-Tipps, dazu noch Taxiservice und gute Unterhaltung. Und darf ich hier eigentlich gar nicht schreiben: Er hat mir sogar mehrfach meine Geldscheine sortiert. Ich kann halt nicht mit so großen Zahlen. Vietnam? Jederzeit wieder!
Anbei die versprochenen Fotos und das Kirchenvideo:

Bildergalerie
Kommentare
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Am 24. Oktober, 02:28 Uhr (Japan), 23. Oktober, 19:28 Uhr (Deutschland)So viele Eindrücke an nur einem Wochenende! Hoffentlich geht's in Japan nicht in dem Tempo weiter. 😉Am 24. Oktober, 10:08 Uhr (Japan), 24. Oktober, 03:08 Uhr (Deutschland)Naja, ein bisschen ruhiger ist es hier schon insgesamt. Aber ich habe ja auch hier viel zu wenig Zeit. Und in Gegensatz zu Vietnam lädt das Wetter hier geradezu dazu ein, ordentlich Gas zu geben.
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Am 24. Oktober, 12:34 Uhr (Japan), 24. Oktober, 05:34 Uhr (Deutschland)Schön das du hier warst und es dir gefallen hat. Komm gerne wieder und nächstes Mal dann Verkehr 2.0 - selbst fahren! 😆 Viel Spaß in JapanAm 24. Oktober, 13:33 Uhr (Japan), 24. Oktober, 06:33 Uhr (Deutschland)Ach, bis dahin hat Doro Bär ihre Flugtaxis doch bestimmt auch in Vietnam schon etabliert. Oder die U-Bahn ist fertig. Also mach da mal ein bisschen Druck!