Halbzeit in Vietnam
Der Morgen danach
Die erste Erkenntnis nach dem Aufwachen: Schlafen in einem Bett ist eine wirklich tolle Erfindung. Sollte ich öfter mal wieder machen. Und nach den Strapazen fand ich es auch völlig vertretbar, dass die Aufstehzeit, ähem, nicht mehr ganz einstellig war. Zum Frühstück ging es mit Thore - natürlich auf dem Roller - in ein nettes Café, in dem gerne Leute mit dem Laptop herumhängen und ein bisschen arbeiten. Sehr schick, tolle Karte, leckeres Frühstück. Kann man machen.
Next stop: Book Street
Ordentlich gestärkt ging es dann kreuz und quer auf dem Roller durch die Stadt. Die meisten Sehenswürdigkeiten befinden sich in District 1 und so kannte selbst ich mit meiner Orientierungsschwäche mich recht schnell halbwegs gut aus. Unser erstes Ziel war die Book Street. Für die Jüngeren unter uns: Wenn man ein eBook ausdruckt und zwischen zwei Pappscheiben tackert, das nennt man Buch. Sowas benutzen die alten Menschen noch teilweise. Die Book Street ist wenig überraschend voller Bücherläden. Die sehen ziemlich schick und gemütlich aus. Was aber wirklich erstaunlich ist: Die Straße ist insgesamt ziemlich kurz und liegt mitten in einer extrem lärmigen Gegend. Aber schon nach wenigen Metern in der Straße hört der Verkehrslärm auf, man hört noch ein bisschen Gehupe, bevor noch einige Schritte weiter auch das nicht mehr zu hören ist. Ob das die Magie der Bücher ist?
Ich selbst habe ja Lesen leider auch mittlerweile fast vollständig verlernt. Und außerdem hatte ich keine Lust, ein erstandenes Buch die nächsten vier Wochen mit mir herumzuschleppen. Aber fündig wäre ich wohl geworden, es gibt da nämlich nicht nur Bücher auf Vietnamesisch, was mir ja sicherlich etwas spanisch vorgekommen wäre. In der Straße sind außerdem noch ein paar lauschige Cafés, in denen glückliche Käufer direkt ihre Nasen zum Schmökern in ihre Neuerwerbungen schieben können. Wir hatten weder ein Buch, noch hatten wir Zeit. Deshalb hieß es für uns: Weiter, weiter, immer weiter. Sagte ja schon ein berühmter Philosoph.
Von Deutschland lernen heißt Siegen lernen
Bereits gestern erzählte Thore mir von einer weiteren Erfolgsgeschichte HCMCs: Sie bauen eine U-Bahn. Und kaum angefangen, ist sie schon fast fertig. Natürlich nicht. Seit Jahren buddelt man schon vor sich hin, überall stehen unfassbar hässliche, blaue Wände herum. Und seit langer Zeit ist jetzt Baustopp. Das teilweise aus Japan stammende Geld ist irgendwie alle. Völlig überraschend hat man aber wohl in Hanoi eine U-Bahn gebaut, die bereits fertig ist. Wo das Geld dafür nur herkam? Merke: Selbst in Sachen Korruption und Blödsinn greifen uns diese verdammten Asiaten mittlerweile an. Am Ende bleiben uns nur noch unsere "Rasen betreten verboten!"-Schilder.
Ab auf den Markt
Nächste Haltestelle: Ein Straßenmarkt, und zwar in der Straße, in der wir gestern noch feiern, äh, ausspannen waren. Hätte ich selbstverständlich ohne Thores Hinweis nicht erkannt. Auf dem Markt gab es irgendwie alles, größtenteils aber zu für uns relativ wieder mal unvorstellbaren Hygienebedingungen. Besonders Fleisch, das ohne jede Kühlung bei diesem schwülen Wetter einfach an einem Haken baumelt, ist echt ein seltsamer Anblick. Aber scheint ja zu funktionieren. Sollte ich es nicht vergessen, knall ich noch ein paar mehr Eindrücke von dem Markt unten an den Artikel. Wenn ich es doch vergesse: Bitte in den Kommentaren beschweren!
Und noch immer weiter, weiter, weiter!
Ohne Rücksicht und Gnade wurde ich dann weiter durch die Gegend gehetzt. Rechts, links, ab um die Ecke. In ein riesiges Labyrinth von Kaufhaus, in dem es alles gab: "Markenklamotten" für ein paar Euros, Kaffee, Schokolade, Uhren, getrocknete Mangos. Hinten wieder raus, nächstes Kaufhaus. Das erinnerte sehr an eine Karstadt-Filiale und hatte natürlich auch im Keller eine Feinkostabteilung. Hier gab es eine Menge internationale Produkte, auch aus Deutschland. So muss der Auswanderer nicht auf seinen Milram-Käse verzichten. Aber keine Zeit, Tempo, Tempo, Tempo! Schnell in einen Convenience Store und eine Blaubeer-Fanta kaufen, die die Zunge blau machen. Und mit blauer Zunge in ein verdammt schickes, englisches Teehaus. Bei Jasmintee und mächtiger Mango-Sahnetorte kurz durchschnaufen. Und weiter. Irgendwann muss ich dann bewusstlos geworden sein und wachte erst eine Woche später wieder... Nein, natürlich nicht ganz so schlimm. Aber war schon echt was los.
Und dann wurde es dunkel
Irgendwann hatte mein Fremdenführer ein Einsehen. Ich durfte zurück in meine Zelle. Aber mit dem klaren Auftrag: Frischmachen für den Abend. Denn wir hatten noch lange nicht genug. Dann mal wieder ab auf den Roller und zurück in's Geschehen. Eine der Hauptstraßen wird abends zur Fußgängerzone umfunktioniert. Hier befindet sich auch das Rathause der Stadt. Das hatte ich am Vortag schon gesehen und dachte: Was ein schickes Haus, was ist denn das wohl? Direkt vor dem Rathaus steht eine Statue des großen Ho Chi Minh. Die ist aktuell allerdings leider mal wieder vollständig verpackt und wird wohl renoviert. Wer sie sehen möchte, muss also die Google Bildersuche befragen.
Es wird gefeiert!
Die Fußgängerzone ist dann im Dunkeln auch nicht wiederzuerkennen. Alles ist schick herausgeputzt, überall blinkt und glitzert es und alles ist bunt. Auf der Straße herrscht ein ganz schöner Trubel. Aber weil alles so weitläufig ist und die Leute voll entspannt, nervt es nicht oder ist unangenehm. Und obwohl es langsam spät ist, turnen überall noch kleine Kinder herum. Die Eltern haben halbwegs ein Auge auf sie, aber alle anderen passen auch ein bisschen mit auf.
Es war aber auch kein ganz normaler Samstag in HCMC, am Ende der Walking Street war eine fette Bühne aufgebaut. Ich habe erst gedacht, Thore hätte das extra für mich organisiert. War dann aber doch nur eine nationale Festivität. Irgendwas ist 90 geworden und es gab eine fette Show zu Ehren von Ho Chi Minh und Vietnam, vermutlich. Die Show hat man sich ordentlich was kosten lassen. Aufwendige Videos, Choregraphien in aufwendigen Kostümen. Und einmal alles durch: Es wirkte wie eine Mischung aus Eurovision Song Contest, kommunistischer Propagandaveranstaltung plus viel vietnamesischer Kultur. Alles garniert mit viel Glitter und Enthusiasmus. Und auch für uns europäischen Riesenmenschen eine feine Show.
Zeit für die Fütterung
Direkt um die Ecke sind wir dann in ein nettes, vietnamesisches Restaurant gegangen. Aus einer sehr bunten Karte haben wir einiges an Gerichten bestellt und uns durchgefuttert. Leider waren die Softshell-Krabben aus, Frosch wollte Thore nicht mitessen und alleine hatte ich auch keine Lust. So war das exotischste Wasserspinat, richtig geil mit Knoblauch. Alles geschmacklich eigentlich so, wie ich es mir vorgestellt habe. Wirklich sehr, sehr lecker, reichhaltig und abwechslungsreich. Gesund vermutlich auch noch größtenteils. Aber irgendwas ist ja immer.
Auf dem Deutschen Haus
Dann ein nächstes Highlight: Auf in's SKYXX! Das ist eine der angesagtesten Rooftop Bars in HCMC, auf dem Dach des Deutschen Hauses. Ein angenehmer Protzbau, in dem unter anderem die deutsche Botschaft sitzt und wo jedes Jahr das offizielle Oktoberfest HCMCs gefeiert wird. Die Bierpreise von etwa 8 Euro für eine Pulle 0,3 ist für vietnamesische Verhältnisse schon ordentlich. Wir mussten keinen Kredit dafür aufnehmen. Bilder habe ich da keine geschossen, ich bin doch kein Tourist! Aber naja, gut. Ein, zwei Videos mit dem Handy habe ich gemacht. Die reiche ich beizeiten mal nach. Wer jetzt schon neugierig ist: Auf der Facebook-Seite des Ladens gibt es vom 19. Oktober ein Video. Das mit dem Feuer. Allzu lang sind wir nicht geblieben. Ist ja doch nicht so ganz unsere Welt. Außerdem wartete unten ja eine unfassbar spannende Stadt.
Bei den Rucksackmenschen
Als nächstes gab's einen Zug durch die Straße, in der sich die ganzen Backpacker treffen und auf den Putz hauen. Hier hat es ganz fürchterlich geschüttet. Dadurch konnte ich natürlich ein paar ziemlich geile Fotos ganz ohne Skill schießen: Sieht aus wie aus einem Cyberpunk-Film. Die häng ich auch noch unten an. Und auch hier gilt: Sollte ich das vergessen, bitte beschweren! Das Ganze ist ansonsten ein bisschen wie die Reeperbahn. Bunt, voll, dreckig, voller Abzocker. Aber schon deutlich größer als der Kiez und die Lautstärke ist tatsächlich kaum auszuhalten. Sollte man gesehen haben, aufhalten möchte ich mich da aber nicht länger als nötig.
Letzte Haltestelle: The Lab
Nach dem Rummel war dann Zeit für etwas Ruhigeres. Eine Bar, die vielleicht in noch keinem Hipster-Reiseplan auftaucht: The Lab. Hier gibt es eine bunte Auswahl wilder Schnäpse für kleines Geld. Und natürlich kurz der Hinweis an die mitlesenden Arbeitskollegen: Ich habe ein paar echt gute Ideen für unser Team, das ja auch The Lab heißt! Auch hier gibt es unten ein paar Bilder, was wir uns so reingekippt haben. Ziemlich coole Sache und wir waren wirklich vorsichtig und haben es nicht übertrieben. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass man hier richtig abstürzen kann. Und ein bisschen gelogen habe ich auch. Das war immer noch nicht die letzte Haltestelle. Neben dem Laden gibt es so einen Laden mit einem großen M. Da haben wir uns noch schnell einen Burger geholt und futternd ging es zu Fuß zurück zum Hotel. Zimmertür auf, Bett, Augen zu, Tag vorbei.
Während ich das hier schreibe, ist mein letzter Tag Vietnam auch schon vorbei. Ohne zuviel zu verraten: Er war natürlich auch wieder spitze. Dazu dann hoffentlich morgen mehr. Ich sitze am Flughafen, bin schwer reizüberflutet, müde und mein Flieger hat zwei Stunden Verspätung. Immerhin habe ich einen Fensterplatz am Notausgang. Aufgrund dieses Zustandes möchte ich aber eventuelle Fehler oder sonstigen Unsinn entschuldigen. Ich flieg dann mal schnell rüber nach Japan. Bis später!
Bildergalerie
Kommentare
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Am 21. Oktober, 02:49 Uhr (Japan), 20. Oktober, 19:49 Uhr (Deutschland)Einfach eine andere Welt. Toll! Und nun guten Flug nach Japan.Am 21. Oktober, 15:49 Uhr (Japan), 21. Oktober, 08:49 Uhr (Deutschland)Erstaunlicherweise ist da mehr gleich als anders. Das hätte ich auch nicht gedacht. Bei Japan war mir das schon klar, aber nicht so bei Vietnam. Und vielen Dank für die Reisewünsche. Bin relativ schmerzfrei in Tokio angekommen und jetzt im Hotel.
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Am 21. Oktober, 18:34 Uhr (Japan), 21. Oktober, 11:34 Uhr (Deutschland)Angeblich soll es den Menschen in Vietnam doch immer besser gehen? Und jetzt verkaufen die da Paderborner? Ja gut, die Vietnamesen sind natürlich noch für ihre Foltermethoden aus dem Vietnamkrieg bekannt. Paderborner Folterbier?!Am 21. Oktober, 20:23 Uhr (Japan), 21. Oktober, 13:23 Uhr (Deutschland)Auf dem Flug nach Vietnam habe ich eine Dose Hanoi Bia (Bia ist das erste und fast einzige Wort vietnamesisch, das ich gelernt habe) getrunken. Das ist ziemlich auf Augenhöhe mit Paderborner. Aber sie haben eine ausgeprägte Craftbeer-Szene.