Tokio Teil II
Innerhalb von gerade einmal fünf Wochen landete ich also das dritte Mal in Tokio. Nachdem ich die ersten beiden Male in Haneda gelandet bin, war diesmal Narita an der Reihe. Narita liegt 60 Kilometer nordöstlich Tokios und wird entsprechend häufiger von Billigfliegern angesteuert. Und einen echten Billigflieger haben wir auch erwischt: Bereits der Flug nach Okinawa Naha war ja ein Billigflug mit SKYMARK, doch von Naha nach Tokio haben wir das dann nochmal deutlich unterboten. Für ziemlich unschlagbare 80 Euro pro Person ging es mit Vanilla Air die 1.500 Kilometer von Okinawa nach Tokio. Der, äh, Preis hatte aber auch seinen, ähem, Preis. Am Flughafen in Naha wurden wir nicht direkt am Inlands-Terminal abgefertigt, sondern mussten erst noch mit einem Shuttlebus zu einem ominösen Nebenterminal fahren. In einer Art Lagerhalle haben es sich dort die Billigflieger Vanilla Air und Peach gemütlich gemacht. Statt elektronischer Gates wird hier alles mit laminierten Papiertafeln angezeigt und auch ansonsten hatte man eher das Gefühl, das Terminal sei aus Überresten des Flughafens zusammengezimmert worden. Im Flieger selbst gab es dann natürlich auch nicht gerade Luxus und vor allen Dingen äußerst wenig Beinfreiheit. Selten auf der Reise bekam ich meine Übergröße so zu spüren, wie auf diesen Flugzeugsitzen. Entsprechend froh war ich dann, als die zweieinhalb Stunden Sardinenbüche überstanden waren.
In Tokio hatten wir dann für die letzten Tage wieder ein APA Business Hotel, diesmal im Westen der Stadt in Shibuya. Zu wirklich sehr anständigen Preisen durften wir erneut einen kleinen Schuhkarton beziehen. Doch im Gegensatz zu unserem ersten Schuhkarton in Tokyo Asakusa hatten wir diesmal eine wirklich spektakuläre Aussicht. Im nächsten Artikel gibt es dazu sicher noch ein paar Bilder von der nächtlichen Skyline.
Für den zweiten Teil unseres Tokio-Aufenthalts standen mit Shibuya und Shinjuku zwei eher moderne, ausgeflippte und wilde Stadtteile auf dem Programm. Und für all die tollen Sachen hatten wir gerade einmal knapp zwei Tage Zeit. Entsprechend mussten wir nochmal ordentlich Gas geben. Am ersten Tag ging's gleich mal von Shinjuku Station (Mit täglich 3 Millionen Passagieren die verkehrsreichste Haltestelle der Welt.) drei Stationen zur Shibuya Station (Mit täglich 2,4 Millionen Passagieren die viert-verkehrsreichste Haltestelle der Welt. Platz 2 ist übrigens ebenfalls in Tokio und Platz 3 in Osaka). Das alleine ist ja schon spektakulär genug, aber direkt neben der Haltestelle gibt es gleich zwei der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Japans.
An der Westseite befindet sich Shibuya Crossing, die wohl berühmteste Kreuzung der Welt. Hier treffen gleich mehrere große Straßen aufeinander. Was die Kreuzung dann noch aufregender macht, ist die Tatsache, dass alle Fußgänger von allen Straßenseiten gleichzeitig grün bekommen. So sammeln sich zwei, drei Minuten auf den Seiten mehrere tausend Leute (das Internet behauptet, in den Abendstunden können es bis zu 15.000 sein). Und dann wird es grün und das Chaos bricht los. Es wirkt ein wenig wie eine Schlachtszene aus Bravehart, nur dass die Japaner natürlich alle viel gesitteter und ruhiger miteinander umgehen. Grundsätzlich gelten hier aber die gleichen Regeln wie überall für den Fußgängerverkehr. Einfach ruhig und langsam dort hinbewegen, wo man hingehen möchte. Keine zu schnellen und ruckartigen Ausweichmanöver starten, sondern immer auch davon ausgehen, dass potentielle Hindernisse auch ausweichen. Und schon funktioniert das alles ganz wunderbar.
Nachdem wir einige Male wahllos über die Kreuzung gegangen und haufenweise Fotos geschossen haben, ging es auf zur nächsten Sehenswürdigkeit: Die Hachiko-Statue. Hachiko lebte in den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts und war der Hund eines Tokioter Professors. Während der Professor an der Uni lehrte, wartete Hachiko an der Shibuya Station auf sein Herrchen. Nachdem der Professor starb, sollte Hachiko zu neuen Besitzern, riss sich jedoch los und kam weiterhin jeden Tag zur Shibuya Station um auf sein altes Herrchen zu warten. Bereits zu Lebzeiten wurde Hachiko in ganz Japan berühmt und galt als Inbegriff des treuen Vierbeiners. Heute erinnert eine Bronzestatue an Hachiko, zu deren Einweihung im Jahre 1934 Hachiko selbst zugegen war.
Die Statue ist ein sehr beliebter Treffpunkt und in der Regel bildet sich vor der Statue eine lange Schlange an Touristen, die Erinnerungsfotos schießen möchten. Mit der in Japan Disziplin und Rücksichtnahme wartet man geduldig in Reih und Glied, bis man dran ist. Dann macht man zwei, drei Bildchen und der nächste ist dran. Und natürlich gibt es auch hier den ein oder anderen Chinesen, der das nicht verstehen möchte oder kann. Aber darüber regt sich der Japaner zumindest nicht sichtbar auf, was wir ihm gleichtun wollen.
Für's Aufregen bleibt uns eh keine Zeit, wir müssen weiter, immer weiter. Nächster Stop: Takeshita Dori. Die Straße ist insbesondere bei jungen Leuten unglaublich populär. Hier ist selbst für Tokio-Verhältnisse alles nochmal drei Stufen schriller, bunter und verrückter. Es ist nahezu unmöglich den Straßenbelag zu sehen, so voll ist es in der engen Straße. Und es reiht sich ein flippiger Laden an den nächsten. Der Gothic-Schuhladen grenzt direkt an Cosplay-Läden, es gibt Läden, die hunderte verschiedenfarbiger Perücken verkaufen, oder Läden, die Klamotten verkaufen, mit denen man selbst auf der Bühne von Starlight Express noch auffallen würde.
Für die nur etwa einen halben Kilometer lange Straße haben wir mehrere Stunden benötigt. Allerdings haben wir auch zwischendurch Crepe aus einem der unzähligen pinken, schrillen Crepe-Läden gegessen. Und auf der Suche nach einer Toilette haben wir direkt hinter der Straße einen ruhigen, netten Schrein gefunden. Hier gab es nicht nur einen Goshuin, sondern wir konnten zufällig auch eine japanischen Hochzeitszeremonie beobachten. So einen Wahnsinn auf so engem Raum, das gibt es wohl nur in Tokio.
Und mit ähnlichem Kontrast ging es auch danach weiter. Wenige Meter nach der Takeshita Dori beginnt der Yoyogi Park. Der Park ist ein sehr beliebtes Naherholungsgebiet und insbesondere Sonntags stark besucht (wir werden hier "morgen" noch einmal vorbeischauen). Im Gegensatz zu westlichen Stadtparks besteht Yoyogi Park fast hauptsächlich aus ziemlich naturbelassenem Wald, durchzogen von ein paar breiten Wegen mit riesigen Toriis. Im Park liegt der Meiji Schrein, in dem die Überreste des extrem beliebten Kaisers Meiji und seiner Frau ruhen. In der Nähe des Haupteingangs des Yoyogi Parks befindet sich eine riesige Wand aus bunt dekorierten Sake-Fässern. Diese Fässer sind Spenden von Sake-Brauereien für Festivitäten im Meiji Schrein, die dann im Anschluss in der "Fässerwand" ausgestellt werden. Das Ganze ist schön anzuschauen und gleichzeitig ein weiteres gutes Beispiel, wie das Zusammenspiel von Religion, Kommerz und großer Geste in Japan funktioniert.
Der Meiji Schrein selbst ist ein ziemlich großer, aber dennoch ruhiger Schrein mitten im Wald des Yoyogi Parks. Leider wird auch hier gerade einiges im Hinblick auf die Olympischen Spiele (oder wie es der Schrein selbst ausdrückt: In Vorbereitung auf den 100. Geburtstag des Schreins...) renoviert und gebaut. Für uns hatte das aber auch einen kleinen Vorteil: Normalerweise ist es Besuchern strikt verboten, das Hauptgebäude des Tempels zu betreten. Durch die Bauarbeiten befindet sich aktuell allerdings der Goshuin-Stand im Eingangsbereich des Hauptgebäudes. Und so durften wir doch hinein und konnten uns einige Minuten lang anschauen, was sich in so einem Schrein abspielt. Leider gab es ein Fotoverbot, deswegen gibt es hier nur eine kurze Beschreibung. Im Gebäude selbst ist viel Holz verbaut, einiges an goldenen Verzierungen. Man merkt dem Gebäude an, dass es noch nicht allzu alt ist. Der aktuelle Bau ist aus den 60ern, nachdem auch hier den schusseligen Amerikanern im 2. Weltkrieg ein paar Bomben aus ihren Flugzeugen unglücklich in den Schrein gefallen sind. Während wir warteten, liefen ein paar - vermutlich - Mönchsnovizen in edlen, weißen Gewändern und mit traditionellen japanischen Bögen durch den Tempel. Man merkt schon, dass man sich an einer Art heiligem Ort befindet, aber es wirkt alles bei weitem nicht so überzogen theatralisch und depressiv, wie es das häufig in christlichen Einrichtungen tut. Abgesehen davon war der Schrein aber eher einer von vielen.
Nachdem wir dann auch noch den Schrein besichtigt hatten, ging die Sonne bereits unter. Es war mal wieder ein äußerst anstrengender Tag. Insbesondere der Irrsinn auf den wenigen hundert Metern der Takeshita Dori hat echt geschlaucht. Und auch wenn es merklich in Richtung Herbst ging, waren die Temperaturen auch immer noch im anstrengenden Bereich. So waren im Anschluss mal wieder sehr erschöpft, aber glücklich. Und weil dies unser letzter Abend in Japan sein sollte, gab es zum Abschluss nochmal etwas Besonderes zu essen: Leckeres Okonomiyaki! お好み焼き (also Okonomiyaki, wobei okonomi soviel bedeutet wie "wie Du es magst" und yaki "gebraten") ist eine Art Mischung aus Pfannkuchen und Omelett. In der Grundmasse ist in der Regel auch Weißkohl. Dazu wählt man meist ein paar Zutaten als Füllung aus, also zum Beispiel Garnelen oder Fleisch. Das Ganze wird dann scharf angebraten und bekommt dadurch unglaublich leckere Röstaromen. Der Laden, in dem wir Okonomiyaki gegessen haben, hat die Okonomiyakis auf einer Grillfläche auf dem Tisch zubereitet. Wenn man will, kann man das ganze Teil selbständig aus der Rohmasse zubereiten. Wenn man aber noch neu im Geschäft ist, kann man das auch von der Bedienung machen lassen und muss dann nur noch einmal umdrehen und warten, bis es fertig ist. Für mich definitiv eine der leckersten Speisen Japans, insbesondere nach einem kräftezehrenden Tag.
So, jetzt fehlt nur noch der Bericht von unserem letzten Tag in Japan. Da unser Heimflug erst um kurz nach Mitternacht ging, hatten wir noch nahezu einen vollständigen Tag in Tokio. Und ich kann schon so viel verraten: Es gibt wirklich, wirklich spektakuläre Bilder zu sehen! Nicht nur die nächtliche Skyline aus unserem Hotelzimmerfenster. Nein, wir waren vor allen Dingen in Odaiba unterwegs. Und da gibt es wirklich nochmal was auf die Augen. Also, die ein bis zwei Leser, die jetzt noch nicht an Langeweile verstorben sind, dürfen sich schon mal auf den Bericht freuen. Der kommt bestimmt "in den nächsten Tagen"...
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